Pochen beide auf das Leistungsprinzip: Behindertensportler Roman Rabl und Jobvermittler Gregor Demblin.

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STANDARD: Die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist im Steigen begriffen. Worauf führen Sie das zurück?

Gregor Demblin: Das hat einen statistischen Hintergrund: Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmarktservice und Pensionskassen wurde geändert, es gibt mehr Rehabilitationsmaßnahmen, die Leute werden nicht mehr so früh in Pension geschickt. Jetzt werden sie beim AMS mitgezählt, daher gibt es einen sprunghaften Anstieg im Moment.

STANDARD: Welche Entwicklungen beobachten Sie?

Demblin: Die Arbeitslosigkeit steigt natürlich bei Menschen mit Behinderung, so wie sie allgemein steigt. Wir sehen aber bei unserer Plattform, dass wir es jedes Jahr schaffen, deutlich mehr Stellen anzubieten als im Jahr zuvor. Wir lernen, was für die Unternehmen wichtig ist und auf welche Argumente sie ansprechen.

STANDARD: Welche sind das?

Demblin: Das Hauptproblem ist, dass Unternehmen viele Berührungsängste haben - dass Menschen mit Behinderung schlechtere Leistungen bringen, dass sie viel krank sein werden, aber auch: Was darf ich sagen, was ist politisch korrekt? Es herrscht viel übertriebene Vorsicht. Daher gehen die meisten Unternehmen lieber auf Nummer sicher und stellen Menschen an, die keine Behinderung haben. Wobei: Auch wenn jemand nicht im Rollstuhl sitzt, kann er trotzdem ein Choleriker sein oder ein Alkoholproblem haben. Menschen mit Behinderung sind in der Regel sehr loyale Arbeitnehmer.

STANDARD: Sie haben beide internationale Erfahrungen mit Barrierefreiheit gesammelt. Wo würden Sie Österreich da ranken?

Roman Rabl: Nicht so weit hinten. Ich war kürzlich in Santiago de Chile, da kommt man mit dem Rollstuhl nirgendwo hin. Wir sind nicht einmal mit dem Taxi mitgenommen worden.

Demblin: Österreich ist nicht so schlecht, aber bei weitem auch nicht so gut, wie es sein könnte. Wenn ich in die USA schaue, nach England, nach Skandinavien - da sind die Menschen offener, da ist die Gesetzgebung besser.

STANDARD: Das Motto von "Career Moves" ist Leistung statt Mitleid. Ist das tatsächlich mit jeder Lebensgeschichte von behinderten Menschen vereinbar?

Demblin: Es gibt ganz schwere Behinderungen, wo das schwierig wird. Aber das ist eine minimale Zahl. Laut WHO-Studien haben 15 Prozent der Menschen eine Behinderung. Davon kann der allerallergrößte Teil eine Leistung bringen, und die Frage ist: Wie kreativ bin ich als Arbeitgeber, wo setze ich die Leute so ein, dass das keine Rolle spielt.

Rabl: Im Sport ist das Leistungsprinzip recht eindeutig: Ich habe nie aufgehört, an meiner Skikarriere zu arbeiten. Gleich nach meinem Unfall habe ich wieder begonnen Ski zu fahren - mit dem Monoski. Am Anfang habe ich noch eine Lehre gemacht zum Mediendesigner, da konnte ich die gleichen Aufgaben erledigen wie Kollegen, die herumgelaufen sind. Nach meinem Lehrabschluss habe ich die Chance bekommen, bei der Finanzprokura zu arbeiten, dort werde ich freigestellt für die Rennen und für das Training.

STANDARD: Haben Sie jemals eine Form von Diskriminierung erlebt?

Rabl: Nein, da hatte ich sicher Glück. Am Anfang war die Berührungsangst da, aber das war schnell weg.

Demblin: Mein Engagement kommt schon aus meiner Geschichte: Ich habe nach dem Studium erlebt, dass ich keine Einladung bekommen habe, wenn ich in die Bewerbung geschrieben habe, dass ich Rollstuhlfahrer bin. Wenn ich es nicht reingeschrieben habe, gab es in Vorstellungsgesprächen immer diese furchtbar peinliche Situation. Alle sind plötzlich aufgehüpft und waren sehr aufgeregt. Genau diese Anfangssituation soll dadurch vermieden werden, dass es aufklärende Gespräche mit Unternehmen gibt.

Rabl: Diese unangenehmen Situationen kommen immer wieder vor. Aber wenn man die ersten Sätze ausgetauscht hat, sieht das anders aus. Die Leute wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen.

Demblin: Man ist halt immer in einer Situation, wo man etwas bringen muss, bis man normal behandelt wird. Ich war 18 bei meinem Unfall, wenn man so jung ist, ist man noch sehr flexibel. Aber mir geht das zunehmend auf die Nerven: Wie komme ich dazu, dass ich im ersten Moment oft blöd behandelt werde - und dann den Leuten erklären muss, was sie richtig machen müssen?

STANDARD: Der Behindertenanwalt hat erst kürzlich die Erhöhung der Ausgleichstaxe gefordert, die Unternehmen zahlen müssen, wenn sie keine Behinderten einstellen. Ist das klug?

Demblin: Ich finde, die Diskussion geht völlig am eigentlichen Thema vorbei. Es gibt durch die Quote keinen nachweisbaren, positiven Effekt. Das Problem ist, dass man damit eine ganz starke Botschaft mittransportiert - dass man sagt: Menschen mit Behinderung sind so schlechte Arbeitnehmer, dass ich die Unternehmen zwingen muss, sie anzustellen. Noch schlimmer ist der Kündigungsschutz, der überhaupt nicht nachvollziehbar ist für Unternehmen. Es wird zwar jedes Jahr eine Handvoll Jobs durch diesen Kündigungsschutz erhalten, gleichzeitig kommen aber tausende Arbeitsverhältnisse nicht zustande, weil die Unternehmen fürchten, dass sie einen Arbeitnehmer mit Behinderung nie wieder loswerden.

STANDARD: Wie funktioniert der Umstieg vom Sport in die Wirtschaft?

Rabl: Ich kann nach meiner sportlichen Karriere beim Zoll bleiben und mache die entsprechende Ausbildung. Die meisten Sportler haben einen Arbeitgeber, der sie freistellt, ansonsten ist das schon sehr schwierig zu vereinbaren. Bei den Nichtbehinderten sind die meisten beim Heeressport, das geht bei uns nicht, weil wir ja untauglich sind.

STANDARD: Wie werden Behindertensportler in anderen Ländern abgesichert?

Rabl: Die Kanadier und Amerikaner sind von ihrem Verband als Sportler angestellt, da ist das System schon weiter entwickelt. Aber ich jammere nicht, ich bin da auch gut dran. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 20.6.2014)