Aktenlieferung für einen U-Ausschuss: Geheimhaltungsstufen sollen zu einem sensibleren Umgang mit Dokumenten führen.

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Wien - Die Parlamentspräsidentin hätte sich "mit Händen und Füßen gewehrt": Ein Verwertungsverbot, das Medien für die Veröffentlichung zugespielter Geheimakten straft, wäre für sie auf keinen Fall infrage gekommen, versichert Barbara Prammer. Eine solche Restriktion hätte "keine drei Jahre gehalten", weder vor dem Verfassungsgerichtshof noch vor dem Europäischen Gerichtshof, sagte die SP-Politikerin bei einem Gespräch mit dem Vorstand der Vereinigung der Parlamentsredakteure: "Wir würden uns bloßstellen."

Die Mahnung Prammers wurde prompt erhört. Keine Stunde später gab SPÖ-Klubchef Andreas Schieder Entwarnung: Es werde keine Strafen für die Veröffentlichung von brisanten Unterlagen geben – und entgegen der weitverbreiteten Meinung seien solche auch nie geplant gewesen.

Kehrtwende

Die Erklärung sorgte für Verblüffung, denn viele Journalisten hatten einen Auftritt Schieders mit seinem ÖVP-Kollegen Reinhold Lopatka vergangenen Freitag anders in Erinnerung. Damals erläuterten die koalitionären Klubchefs ihr Konzept für eine "Geheimschutzordnung", die im Parlament – etwa bei Untersuchungsausschüssen – den Umgang mit geheimen Akten regeln soll. Unter Punkt 13 stand, mit Fragezeichen versehen, das Verwertungsverbot. Lopatka erklärte die Pläne so: Sollte vertrauliches Material veröffentlicht werden, sollte das "Folgen" für die Medien haben.

Nun versichert Schieder: Bekommt ein Medium ohne eigenes Zutun geheime Akten zugeschickt, sei die bloße Veröffentlichung in keinem Fall strafbar. Im Gegensatz zu derzeit, wo solche Fälle nicht ausjudiziert seien, soll dies nun sogar dezidiert im Gesetz klargestellt werden.

Anstiftung bleibt strafbare Handlung

Weiterhin gilt hingegen: Journalisten können sich strafbar machen, wenn sie Amtsträger zum Geheimnisverrat anstiften – im Bereich des Parlaments allerdings nur mehr in bestimmten Fällen. Das Konzept sieht für sensible Dokumente vier Stufen vor: In den beiden ersten Kategorien (" eingeschränkt", "vertraulich") drohen einem Abgeordneten, der Akten weitergibt, parlamentarische Sanktionen – denkbar sei etwa der Ausschluss aus einem U-Ausschuss. Ein berichtender Journalist muss nichts befürchten.

In den Kategorien "geheim" und "streng geheim", bei schwerer Schädigung von Staatsinteressen, riskieren indiskrete Mandatare bis zu drei Jahren Haft; das Gleiche gilt für Journalisten, die diese – und das ist der Unterschied zu einem echten Verwertungsverbot – zur Aktenweitergabe anstiften.

Die Neuregelung sei somit eine Entschärfung, sagt Schieder. Denn bisher gelten alle Akten, die ein U-Ausschuss bekommt, als vertraulich – mit den gleichen Folgen für Mandatare und Journalisten, wie sie nun nur in den beiden schärfsten Kategorien geplant sind. VP-Klubchef Lopatka bestätigt, dass Strafdrohungen nicht über diese Pläne hinausgehen.

Allerdings konnten Mandatare in U-Ausschüssen bisher aus Akten vor Journalisten zitieren. Der Grüne Dieter Brosz befürchtet, dass Papiere der vier Geheimhaltungsstufen künftig nicht mehr öffentlich diskutiert werden. Werden Behörden Dokumente nicht stapelweise als "geheim" definieren, um sich das Nachfragen zu ersparen? Schieder widerspricht. Erstens soll das Parlament anders als in Deutschland das Recht erhalten, von den Ministerien verhängte Klassifizierungen auszuhebeln, falls es gute Gründe gibt. Zweitens könnte eine öffentliche Debatte auch über heikle Akten stattfinden, wenn die konkret geschützte Information nicht zitiert wird. (Gerald John, Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 24.6.2014)