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Gegen Ex-FPÖ-Spitzenkandidat Andreas Mölzer wird wegen Verhetzung ermittelt, ob er auch angeklagt wird, ist fraglich - nur wenige Verhetzungsverfahren landen auch vor Gericht.

Foto: APA/Pfarrhofer

Rassistische Aussagen kosteten Andreas Mölzer das Amt als Europaparlamentarier – ob sie auch gerichtliche Folgen haben werden, wird das Justizministerium in den kommenden Wochen entscheiden: Wie berichtet wird derzeit geprüft, ob sich der Ex-Spitzenkandidat der Freiheitlichen bei der EU-Wahl wegen Verhetzung verantworten muss.

Unabhängig davon, wie die Causa ausgeht: Wegen Verhetzung angeklagt und verurteilt zu werden ist in Österreich äußerst schwierig. Das zeigt eine Anfragebeantwortung durch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) auf Initiative des grünen Justizsprechers Albert Steinhauser. Nur drei Prozent aller Verhetzungverfahren mündeten 2013 in eine gerichtliche Verurteilung. Zum Vergleich: Im Schnitt des Jahres 2012 wurden 21 Prozent aller Strafverfahren gerichtlich verurteilt.

Gesetz "äußerst schwer anzuwenden"

Ein Grund für die geringe Quote liegt im Wortlaut des Gesetzes. Dieses sei "äußerst schwer anzuwenden", meint Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk gegenüber dem STANDARD.

Das liegt einerseits daran, dass dem Täter die subjektive Absicht, jemanden verächtlich zu machen, nachgewiesen werden muss – "und das ist sehr schwierig". Laut Paragraf 183 Absatz 2 des Strafgesetzbuches ist jemand, der gegen eine Gruppe hetzt, zudem nur dann zu bestrafen, wenn er das so tut, dass es "für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar" ist.

"Jemand, der auf einer geschlossenen Veranstaltung hetzt, ist von vornherein ausgenommen", sagt Volker Frey vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. Selbst wenn die im geschlossenen Kreis getätigten hetzerischen Aussagen in der Folge medial verbreitet werden, bleiben sie straffrei – der Absender der Botschaft müsste gewusst haben, dass sich Journalisten im Raum befinden, die über die Rede berichten werden.

"Gewalt" statt "feindselige Handlung"

Zwar wurde das Gesetz erst vor zweieinhalb Jahren novelliert, weil es schon zuvor Kritik gegeben hatte – doch wurde die Novelle in letzter Sekunde abgeschwächt (DER STANDARD berichtete). Seither sind zwar auch Einzelpersonen sowie Lesben und Schwule gegen Hetze geschützt, doch zog der Gesetzgeber zugleich neue Hürden ein: So war es vor 2012 strafbar, zu einer "feindseligen Handlung" gegen Gruppen aufzurufen – seit 2012 muss man schon zu "Gewalt" aufrufen, um gerichtlich verfolgt zu werden.

Während zuvor schon strafbar war, "öffentlich" gegen eine Gruppe zu hetzen, muss dies jetzt "für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar" sein. Anders gesagt: Früher reichten zehn Zuhörer, jetzt müssen es mindestens 150 sein. "Man sollte überlegen, ob man die Regelung nicht besser reformiert", so Verfassungsrechtler Funk.

Auch Strafrechtlerin Katharina Beclin von der Uni Wien ortet in der letzten Novellierung des Gesetzes eine "dreifache Entschärfung" und spricht sich dafür aus, den Paragrafen wieder schärfer zu formulieren.

Mehr Anzeigen, weniger Anklagen

Die Statistik zeigt, dass zwar immer mehr Verhetzungen angezeigt werden, die Zahl der Anklagen stagniert hingegen: Im Vorjahr gab es 241 Anzeigen wegen Verhetzung – 2012 waren es 185 und 2010 noch 160 Anzeigen gewesen. Angeklagt wurden im Jahr 2010 insgesamt 22 Causen, 2012 nur 19 und im Vorjahr 21 Fälle.

Insgesamt wurden 2013 an Österreichs Staatsanwaltschaften 348 Verhetzungscausen erledigt, zu gerichtlichen Verurteilungen kam es in elf Fällen. Das ergibt eine Verurteilungsquote von drei Prozent. Im Gesamtdurchschnitt der Strafverfahren liegt die Verurteilungsquote bei 21 Prozent.

Steinhauser spricht von einem "auffallenden Missverhältnis". Er fordert eine Evaluierung des Gesetzes, aber auch der Praxis der Staatsanwaltschaften – der grüne Justizsprecher mutmaßt, dass "dieser Paragraf möglicherweise nicht die Priorität hat, die er haben sollte". (Maria Sterkl, derStandard.at, 25.6.2014)