2013 wechselten Klimts "Wasserschlangen II" über einen Privatverkauf den Besitzer. Den Erlös (112 Mio. Dollar) teilten sich die Erben Jenny Steiners und Ursula Ucicky.

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Die Felsövanyi-Erben warten bis heute auf eine Einigung (Bildnis Gertrud Loew-Felsövanyi) mit der von Ucicky gegründeten Klimt Foundation.

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Die Leseecke im Wohnzimmer schmückte dagegen Klimts Porträt von Gertrud Loew (verhelichte Felsövanyi) aus dem Jahr 1902, das Ucicky zwischen 1939 und 1942 erwarb.

Foto: Archiv/Faksimile 1957

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Klimts "Wasserschlangen II", entstanden 1904-07, hingen über Gustav Ucickys Esstisch. Als der NS-Filmregisseur 1961 verstarb erbte seine Witwe Ursula Ucicky seine Kunstsammlung.

Foto: Archiv/Faksimile 1957

Episoden, die scheinbar unabhängig voneinander stattfinden und doch miteinander verflochten sind; Schicksale unterschiedlicher Charaktere, von Opfern wie Tätern, zeitlich von der Nazi-Diktatur bis in die Gegenwart angesiedelt: das mag für viele Geschichten zutreffen, jedenfalls aber für Andrzej Szczypiorskis 1988 im Diogenes-Verlag erschienenen Roman Die schöne Frau Seidenman, dessen englische Fassung 1990 folgte. Da wie dort zierte ein von Verlagsgründer Daniel Keel ausgewähltes Gemälde von Gustav Klimt den Einband: das 1902 gemalte Porträt von Gertrud Loew (Felsövanyi), ein hinreißendes Covergirl als Inbegriff blühender Jugend.

Wie ihr Sohn Anthony Felsovanyi darauf reagierte, ist unbekannt. Im Juni 1938, vor seiner Flucht in die USA, hatte er das Gemälde ein letztes Mal im Salon des familieneigenen Palais gesehen. Der Verbleib der Kunstsammlung seiner Mutter, laut Vermögensanmeldung (1938) mit einem Wert von 48.000 RM, ist weitgehend ungeklärt.

Was Ursula Ucicky davon hielt, dass "ihr" Eigentum ein Buch cover ziert, ist ebenfalls nicht überliefert. Als sie 1957 den bekannten NS-Filmregisseur (und NSDAP-Mitglied) Gustav Ucicky ehelichte, hing das Bildnis bereits in der Leseecke des Wohnzimmers. Die Öffentlichkeit bekam es zuletzt vor exakt 50 Jahren, im Sommer 1964, bei einer Ausstellung (Wien um 1900) zu Gesicht.

Damals soll Anthony ein Kaufangebot erhalten haben, das er mangels entsprechenden Budgets ablehnen musste. Ursula wisse davon nichts, berichtet ihr Umfeld. Spätestens 1999 wurde sie mit der teils problematischen Geschichte der Kollektion ihres 1961 verstorbenen Ehemannes konfrontiert, die Standard-Autor Hubertus Czernin öffentlich machte.

2003 folgte Sophie Lillies Handbuch enteigneter Kunstsammlungen (Was einmal war), in dem auch Loew-Felsövanyi ein Kapitel gewidmet war und dessen Umschlag ein anderes Kunstwerk aus Ucicky-Besitz zierte: Klimts Wasserschlangen II (1904/07).

Für Ursula Ucicky, betont ihr Vertrauter, sei „die Vorstellung, enteignete Kunst zu besitzen, ein Horror gewesen“, zumal die Tochter eines jüdischen Fabrikanten vom NS-Regime nicht verschont geblieben war. Wie viele Privatbesitzer von Raubkunst war sie von der Situation überfordert. Die Theorie wirkt einfacher, als es die Praxis ist. Die Problematik, so Peter Weinhäupl, kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums, liege darin, dass es für Eigentümer (meist Erben) entzogenen Guts keine Anlaufstelle gibt. Eine neutrale Einrichtung seitens der Republik, die in rechtlichen Fragen und betreffend Provenienzforschung berät, wäre von Vorteil. Betroffene, die eine Vorverurteilung fürchten und die Öffentlichkeit scheuen, würden dann eher Lösungen anstreben. Er selbst habe 2013, im Rahmen eines BMUKK-Gesprächs, eine solche Stelle angeregt.

Provisionen da wie dort

"Sie hatte Angst", versichert Weinhäupl, der mit der 91-jährigen Ucicky länger in Kontakt sei, als er im Leopold-Museum (LM) tätig ist. Er kenne all die Schreiben, die im Laufe der Jahre von Auktionshäusern und Anwälten eintrudelten, die ihre Dienste anboten. Auch jene von Andreas Nödl zum Bildnis Gertrud Loew im Jahr 2010.

Überrascht sei er gewesen, gesteht Weinhäupl, der von der anwaltlichen Kooperation Nödls (Vorstandsmitglied der Leopold-Privatstiftung) und Felsovanyis damaligem Anwalt Randy Schönberg (bis Juni 2011, seit November 2011 Ernst Ploil) nichts gewusst habe. Zwischenzeitlich hat Andreas Nödl die Seiten gewechselt – aber der Reihe nach.

Im Frühjahr 2011 traf ein Brief Anthonys ein, der Ucicky berührt habe und rückblickend Bewegung in die Sache bringen sollte. Der ursprüngliche Plan, das Gemälde zu versteigern und den Erlös zu teilen, kam (vorerst) nicht zustande.

Stattdessen rückten die Wasserschlangen in den Fokus, ehemals in der Sammlung Jenny Steiners beheimatet, 1940 von Gustav Ucicky über den Kunsthändler Robert Herzig im Dorotheum erworben. Im Anschluss an den diskret über Sotheby’s abgewickelten Privatverkauf sollten nicht nur die Steiner-Erben (50:50), sondern auch Felsovanyi abgegolten werden.

Das wäre im Sinne Sotheby’s gewesen, die Anthony 2007 vertraglich Unterstützung zugesichert hatten. Auch dazu kam es nicht.

Die Wasserschlangen wanderten im Juli 2013 für 112 Millionen Dollar (exkl. Sotheby’s-Provision) nach Doha ab, im September gründete Ursula Ucicky die Klimt Foundation, in die sie Barvermögen sowie 14 Klimt-Werke mit teils problematischer Provenienz einbrachte. Darunter das Loew-Porträt sowie ein Ensemble von sechs Klimt-Zeichnungen aus der Sammlung Loew-Felsövanyi (siehe der Standard, 9. 11. 2013, "Trockenübung am Attersee").

Als Vorstände der Klimt Foundation fungieren Peter Weinhäupl und Sandra Tretter (zuvor LM-Kuratorin), Andreas Nödl vertritt diese derzeit in Rechtsfragen.

Ob das Auktionshaus im Zuge des Wasserschlangen-Vergleichs eine Vermittlungsprovision bezahlte? Ja, bestätigt Weinhäupl, damit seien der jahrelange Aufwand aller Beteiligten und die Anwaltskosten beglichen.

Streit um 56 Millionen

Eine Einigung um die Kunstwerke aus dem Besitz seiner Mutter sollte Anthony Felsovanyi nicht erleben, er verstarb im vergangenen November 98-jährig. Seither wird an der Causa gearbeitet: Im April lag das Provenienzforschungs-Dossier zum Gemälde vor, nun wird nachbearbeitet und soll eine Kommission unter Clemens Jabloner bis Herbst ihr Urteil treffen

Etwa zeitgleich steht die Entscheidung in einem Schiedsverfahren an: Gegenstand sind die Wasserschlangen bzw. der daraus lukrierte Hälfteanteil von (kolportierten) 56 Millionen, um den sich die Nachfahren der Steiner-Töchter (Daisy Hellmann, Klara Mertens, Anna Weinberg) streiten.

Das Interessante daran: Sonst repräsentierte die IKG zuletzt zwei der drei Erbengruppen, einerseits jene nach Daisy Hellmann sowie andererseits den Klara Mertens Estate (u. a. Einigung zu Schieles Häuser am Meer, Leopold-Museum, Juni 2012).

Im aktuellen Fall haben die Hellmann-Erben nun die IKG erstmals als Gegner, da diese nur den Estate vertritt. Ein am möglichen Erfolg und damit am Profit orientierter Seitenwechsel?

Die Anwälte der Hellmann (Manfred Schlögl) bzw. Weinberg-Erben (Alfred Noll) wollen sich zu diesem schwebenden Verfahren derzeit nicht äußern. Und auch Erika Jakubovits (IKG) hält sich bedeckt. Ob die Vereinbarung mit dem Mertens Estate die übliche "Aufwandsentschädigung" bzw. Spende für die IKG in der Höhe von zehn Prozent des Streitwertes vorsieht? Jakubovits will das nicht kommentieren, denn: Es ginge hier um Prinzipien und um Gerechtigkeit, nicht um Geld. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 28./29.6.2014)