Einem Schiedsrichter auf dem Fußballfeld gleich stürzt sich der Gartler zwischen die Kontrahenten auf dem Rasen und trennt sie mühsam.

Illustration: Dennis Eriksson

Der fortgeschrittene Gartler wähnt sich auf der sicheren Seite. Er hatte die neuen Rabattenpflanzen im Frühjahr mit viel Abstand zueinander gesetzt. Er hatte zwischen den Pflanzen Trittsteine gelegt, damit er später einmal durch das Dickicht finde, ohne dabei auf Aufwuchs zu steigen und diesen zu zerstören. Ja selbst den alten, eingesessenen Pflanzen gab er mehr Platz, indem er im Herbst Pflanzerlrücken gespielt hatte.

Die Hostas mussten weiter auseinander, die Anzahl der Ziergräser im Beet wurde halbiert, und die Hortensien bekamen einen säulenartigen Schnitt verpasst. Die Rosen hatte der Gartler, in weiser Voraussicht, auf bodennah zurückgestutzt. Doch die Natur ist wie fast immer stärker und eigensinniger. Denn obwohl die Schädlinge dieses Frühjahr wirklich ihr Bestes gegeben haben, gedeihen die Pflanzen in einer Üppigkeit, als ob Tschernobyl bis hierher strahlte.

Schiri auf dem Rasen

Es mag dies dem fantastisch warmen März geschuldet sein; der damit aber auch dafür verantwortlich zeichnet, dass die Bemühungen des Gartlers, den Pflanzen mehr Raum zu geben, verpufft sind. Die Rosen wuchern, als ob es kein Morgen gäbe, und lassen dem gelben Lein und den Glockenblumen keine Luft zum Leben. Die Hostas haben das Platzangebot sofort für sich beansprucht und schieben gewaltige Blätter in die Breite, auf dass die kleine Moorhexe und andere Ziergräser in der näheren Umgebung gar keine Chance auf Licht haben.

Des Gartlers Hauptbeschäftigung ist es nun, mit ständig neu herangeschafften Stützstäben, Zaunimprovisationen und Rankhilfen, Pflanzen auseinanderzuhalten. Einem Schiedsrichter auf dem Fußballfeld gleich, stürzt er sich zwischen die Kontrahenten auf dem Rasen und trennt sie mühsam; nicht selten, dass er dabei Kratzer abbekommt, speziell, wenn eine Rose in die andere wachsen möchte. Pfiff! Auseinander!

Gewaltige Kandelaber

Wie so oft ist ihm dabei der grüne Gartendraht eine wichtige Hilfe. Mittels dieses Drahts gelingt es ihm, aus Büschen Säulen zu machen, so zum Beispiel beim grenzwertig intensiv duftenden Baldrian. Dieser hat bereits im Mai die Zwei-Meter-Marke übertroffen und braucht gut und gerne drei Quadratmeter Beetfläche für sich, wenn man ihn nicht auf eine schlanke Säule zusammenbindet.

Ähnliches bei den Nachtkerzen: Diese erheben sich 2014 zu gewaltigen Kandelabern, und wenn man sie nicht rechtzeitig in eine schlanke Form bringt, bleibt vom Beet unter ihnen wenig übrig. Dass in diesem Dschungel die paar Trittsteine komplett verschwunden sind, selbst nach längerer Suche nicht mehr auftauchen, ergibt sich irgendwie von selbst. Aber was bedeutet das für das kommende Jahr? (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 4.7.2014)