Raz und David S.: Der 51-jährige Sozialarbeiter musste seinen Lebensmittelpunkt wegen des Pass-Streits fix nach Österreich verlagern.

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Wien/Berlin - In diesen Tagen besichtigt der zwölfjährige Raz S. mit seiner Großmutter die Burgen und Schlösser Österreichs. Hier, in seinem Gastland, kennt er inzwischen eine Reihe Sehenswürdigkeiten - auch aus Mangel an Reisealternativen: Der in Gambia geborene, vor zehn Jahren vom Deutschen David S., 51, adoptierte Bub musste die vergangenen 16 Monate in Österreich verbringen, weil ihm - wie der STANDARD berichtete - die deutschen Behörden keinen Pass mehr ausstellen. Sie zweifeln an seiner bundesdeutschen Staatsangehörigkeit.

Das ist seit März 2013 so. Vorsprachen, Anwaltsbriefe, Klagseinreichung in Deutschland: Nichts half. Zuletzt, im Juni, wurden weitere Medien auf den bürokratiebedingten unfreiwilligen Österreich-Aufenthalt von Raz und seinem Vater aufmerksam, "taz" und ZDF berichteten. Einen deutschen Pass hat der Bub bisher aber nicht erhalten.

Österreichinterner Befreiungsschlag

Dieser Zustand sei auf die Dauer nicht akzeptabel, meint dazu nun Andreas Berger, Pressesprecher der Wiener Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SP). Angesichts des fast unlösbar erscheinenden deutschen Bürger-Behörden-Konflikts kündigt er im STANDARD einen österreichinternen Befreiungsschlag an. "In diesem Fall muss eine Lösung gefunden werden. Die Wiener MA 35 wird Raz S. eine Aufenthaltskarte für aus Drittstaaten stammende Angehörige von EWR-Bürgern ausstellen."

Dies, so Berger, sei auf Grundlage der bereits lang anhaltenden Passverweigerung der deutschen Behörden möglich. Zudem besitze der Zwölfjährige auch einen gambischen Pass: Um seinem Sohn zumindest ein gültiges Personaldokument zu verschaffen, hatte David S. vergangenen Herbst alle Hebel bei den Behörden des westafrikanischen Landes in Bewegung gesetzt.

Karte wird kommende Woche überreicht

Besagte österreichische Aufenthaltskarte gilt fünf Jahre lang - und kann anschließend in eine Daueraufenthaltskarte umgewandelt werden. Sie berechtigt ihren Inhaber zum Reisen. Am Montag wurde David S. vom zuständigen MA-35-Referenten angerufen. Spätestens kommende Woche werde er die Karte in Händen haben, berichtete er danach hocherfreut.

Begonnen hatten Raz und David S.' Probleme Anfang 2013, als der Sozialarbeiter aus beruflichen Gründen für ein halbes Jahr nach Wien übersiedelte. Raz, damals im Besitz eines deutschen Kinderpasses, kam mit. Im März 2013 stellte David S. für seinen Sohn an der deutschen Botschaft in Wien einen Pass-Verlängerungsantrag. Die deutsche Vertretung verweigerte dies: Es sei "unklar, ob Sie der Vater im Sinne des deutschen Rechtes des Kindes Raz sind", wurde David S. beschieden.

Und dabei blieb es auch, trotz gültiger Adoptionspapiere und Unterlagen über vorhergehende Kinderpassverlängerungen. Zuletzt gelang es David S. gar, sich für seinen Sohn eine beglaubigte deutsche Geburtsurkunde - Voraussetzung für eine deutsche Passgewährung - ausstellen zu lassen. Am 8. Juni hat er sie an die zuständigen Stellen in Berlin geschickt - bisher ohne Ergebnis. (Irene Brickner, DER STANDARD, 2.7.2014)