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Preisträger 2014: Tex Rubinowitz

Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Klagenfurt – In dunklen Zeiten, sagte David Foster Wallace einmal, scheine ihm die Definition von guter Kunst zu sein, "dass sie die Elemente des Menschlichen und Magischen, die trotz der Finsternis unserer Zeit noch lebendig sind und leuchten, lokalisiert und reanimiert.“ Wirklich gute Literatur, meinte der US-amerikanische Autor weiter, könne düster in ihrer Weltanschauung sein, müsse aber immer auch Möglichkeiten beleuchten, wie man in dieser Welt lebendig sein und menschlich bleiben könne.

Auch Ingeborg Bachmann hat über jene der Kunst eingeschriebenen Vision einer anderen, besseren Welt geschrieben (Stichwort "ein Tag wird kommen“). Obwohl oder gerade weil die Kärntner Dichterin und David Foster Wallace, der 2008 in den Freitod ging, am Leben litten, sprechen ihre Bücher immer auch von der Hoffnung, dass es besser wird.

Kein Favorit

Wenig Hoffnung wollte hingegen beim heurigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb aufkommen. Während sie am Abend auf dem Neuen Platz beim "Public Viewing in der WM City“ die großen Biere stemmten, schleppten sich im unweit davon gelegenen ORF-Theater tagsüber die Wasserglas-Lesungen bleiern dahin. Und es hat es noch selten gegeben, dass sich – wie diesmal – nach drei Tagen und 13 Lesungen keine literarische Favoritengruppe vom Teilnehmerfeld hatte absetzen können. Zu mittelmäßig und zu brav waren viele der vorgelesenen Beiträge.

Die Welt musste mit wenigen Ausnahmen draußen bleiben aus diesen Texten, die sich vorwiegend um persönliche Befindlichkeiten, schwierige Familienverhältnisse (Vater mit Nazivergangenheit!) und Beziehungskisten, in denen die Hölle immer der andere ist, drehten. Oft kläfften, galoppierten oder flogen auch Tiere durch die Texte.

Geschichte der ersten (echten) Beziehung

Eine Eule und ein Reh waren es beispielsweise bei Tex Rubinowitz. Überraschend konnte der 1961 geborene, in Wien lebende Zeichner und Autor mit seinem Text "Wir waren niemals hier" den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis gewinnen. Rubinowitz erzählt in seinem Beitrag die Geschichte der ersten (echten) Beziehung eines Ich-Erzählers mit einer eigenwilligen, aus Deutschland, wo sie als Flüchtling aufwuchs, in Wien angekommenen Litauerin. Irma, so der Name der Dame, raucht gern und nuckelt an Batterien, weil das so sauer schmeckt. Der Erzähler hingegen ist in Lebensdingen eher ein Ritter von der traurigen Gestalt, der von Irma wenig kriegt. Sex schon gar nicht. Bald merkt er, dass es wohl nicht funktionieren wird, sich einen "Ausweg zusammenzuknutschen.“

Einen traurigen Clown und einen "Lakoniker mit Sexappeal“ machten die Juroren in Rubinowitz’ Erzähler aus. Und es mag eine sympathische Entscheidung der Jury sein, ausgerechnet diesen Text mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis auszuzeichnen. Richtig ist sie nicht. Als Symbol könnte sie sogar verheerend sein.

"Ich kann schreiben, weil du es nicht kannst"

Rubinowitz, der vom Auslassen des berüchtigten  Autorenvorstellungsvideos  über die bewusst gewählte Alltagssprache bis zum rotzigen Vortrag des Textes alles tat, um Erwartungen, die hier an Autoren und Literatur gestellt werden, eben gerade nicht zu erfüllen, wurde schließlich mit einem literarisch mediokren Text zu Tode umarmt. Oder wie Rubinowitz für die Zeitschrift Volltext schrieb: "Also kann ich nun schreiben? Ich sags mal so: Ich kann schreiben, weil du es nicht kannst. Oder weil du es nicht machst. Einer muss es doch tun.“ Im selben Text geht es zudem um einen blinden finnischen Architekten: "Seine Häuser sehen zwar merkwürdig aus, aber sie stehen.“

Das gilt auch für den Text des Schweizer Autors Martin Fehr, der den Kelag-Preis gewann (10.000 Euro). Wäre die Jury mutig gewesen, hätte sie ihn mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Auch er brachte mit seinem wegen einer Augenerkrankung vom iPod abgehörten Text Simeliberg frischen Wind. Aber die deutschen Juroren wollten mit dieser Form der mündlichen Literatur, die auch schriftlich funktioniert, nicht warm werden. Erzählt wird in Simeliberg von einem Gemeindebediensteten, der in der Schweiz mit dunklen Machenschaften und Xenophobie konfrontiert wird. Dieser Anatol Griese kommt übrigens aus dem "großen Kanton“, wie die Schweizer Deutschland nennen.

Oper mit Dreiecksgeschichte

Von Asyl, biografischen Brüchen und dem Ankommen im Nirgendwo handelt auch Senthuran Varatharajahs Text, der den 3Sat-Preis (7.500 Euro) gewann. Der Publikumspreis (7.000 Euro) ging an Gertraud Klemm und ihren Beitrag über eine vom Schreikind überforderte Mutter. Den von der Buchhandlung Heyn gestifteten Ernst-Willner-Preis (5.000 Euro) schließlich konnte Katharina Gericke entgegennehmen, die große Oper mit einer kleinen Dreiecksgeschichte querschneidet.

Die Hoffnung stirbt, wie es heißt, zuletzt. Nächstes Jahr zur selben Zeit am selben Ort wird der 39. Bachmannpreis über die Bühne gehen. Ohne den verdienten Juryvorsitzenden Burkhard Spinnen, der nach 14 Jahren die Jury verlässt. (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 6.7.2014)