Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, pocht auf mehr Orientierung für Studienanfänger vor dem Studium. "Es gibt keine Konzepte, das wäre Aufgabe der Schulen", sagt er.

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STANDARD: Die Universität Wien hat schwarze Trauerflaggen gehisst, als klar war, dass das eigenständige Wissenschaftsministerium aufgelöst wird. Jetzt wird Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner von den Rektoren gelobt. War die Kritik verfrüht?

Engl: Nein, es gab die Kritik an dem Signal, dass es kein eigenständiges Wissenschaftsministerium mehr gab. Zugleich sind wir auf Minister Mitterlehner zugegangen. Ich kenne Mitterlehner aus meiner Zeit in Oberösterreich und hatte eine durchaus positive Erwartungshaltung ihm gegenüber. Das hat sich als berechtigt herausgestellt. Minister Mitterlehner hat sich sehr schnell eingearbeitet, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir unter der Führung des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gut vorankommen werden. Auch dass die Wissenschaft im Namen des Ressorts zuerst kommt, war ein Signal.

STANDARD: Sie haben wiederholt eine "Mitterlehner-Milliarde" für die Jahre 2016 bis 2018 gefordert. Im Jahr sind das 330 Millionen Euro für alle 21 Universitäten. Warum sind die Rektoren so bescheiden geworden?

Engl: Ich würde sagen, das ist Realismus. Die Bundesregierung und der Bundeskanzler haben sich vor kurzem dazu bekannt, dass Österreich zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die tertiäre Bildung braucht. Wir sind derzeit bei 1,5 Prozent. Das Ziel gilt für 2020, um es zu erreichen, bedarf es eigentlich mehr als eine Mitterlehner-Milliarde. Der tertiäre Sektor braucht dieses Geld, um die Konkurrenzfähigkeit Österreichs aufrechtzuerhalten. Um den Status quo abzusichern, ist diese Milliarde unbedingt erforderlich.

STANDARD: Das Ziel, zwei Prozent des BIP zu investieren, hören wir schon seit vielen Jahren.

Engl: Ja, das stimmt, aber der Bundeskanzler hat es vor kurzem bekräftigt. Das stimmt mich zumindest theoretisch optimistisch.

STANDARD: Sie sind vor kurzem wiedergewählt worden. Derzeit hat die Uni Wien 92.000 Studenten. Wie viele Studenten wird es am Ende Ihrer zweiten Amtszeit 2019 geben?

Engl: Wir hatten 2007 etwa 70.000, dieses Wachstum kann so nicht weitergehen, das ist nicht verkraftbar, weil sich die Betreuungsverhältnisse verschlechtern würden. Unsere Budgets sind seit 2007 um 15 bis 20 Prozent gestiegen, die Studierendenzahl stieg um 30 Prozent. Ich hoffe nicht, dass wir dann 150.000 Studierende haben. Oder nur, wenn das Budget entsprechend angepasst wird.

STANDARD: Wie sinnvoll ist die derzeitige Studiengebühren-Regelung? Ist der Bürokratieaufwand nicht höher als die Einnahmen?

Engl: Die Studiengebühren für Langzeitstudierende haben Einhebungsaufwand, allerdings bringen sie für die Uni Wien auch zwölf Millionen Euro im Jahr, derzeit sind sie unverzichtbar. Es ist eine politische Frage, ob man es dabei belassen will oder ob man Studiengebühren wieder umfassender einführt. Die Debatte hat die Regierung für beendet erklärt.

STANDARD: Die Testphase zur Studienplatzfinanzierung ist ausgelaufen, die Implementierung wurde auf frühestens 2019 verschoben. War die Testphase sinnvoll?

Engl: Die Wortwahl war missverständlich. Wenn ich das Wort Studienplatzfinanzierung höre, dann denke ich an Finanzierung. Darum ist es aber zunächst nicht gegangen, sondern um die Einführung von Aufnahmeverfahren. Die tatsächliche Implementierung hätte mehr Geld benötigt. Nachdem das derzeit nicht im notwendigen Ausmaß erwartet werden kann, ist es sinnvoll, das zu verschieben.

STANDARD: Die Testphase war eigentlich ein Etikettenschwindel?

Engl: Es war eine gute Absicht dahinter. Die ist jetzt auf halben Weg steckengeblieben, und wir hoffen, dass sie wieder aufgenommen wird, wenn die Budgets passen.

STANDARD: Wie viel bringen Ihnen die bleibenden Aufnahmetests, etwa in den Wirtschaftsstudien?

Engl: Es hat die Zahl der Anmeldungen etwas reduziert. Die vorgegebenen Aufnahmezahlen haben sich an den vergangenen Semestern orientiert, deshalb ändert diese Art von Verfahren kaum etwas. Die Aufnahmeverfahren haben hauptsächlich das Ziel, dass man in Zukunft wirklich pro Studienplatz finanzieren kann. Die Studierenden haben jedenfalls nach der Studieneingangsphase, nach einem ersten, harten Semester, ein Recht darauf, gut betreut zu werden. Deshalb ist es notwendig festzulegen, wie viele Studienplätze man finanzieren will.

STANDARD: Soll es für alle Studiengänge solche Tests geben?

Engl: Ich bin kein Freund punktueller Aufnahmeprüfungen, außer in Fällen, wo es aufgrund der vielen Anmeldungen unbedingt notwendig ist, wie etwa in Medizin oder Psychologie. Mein bevorzugtes Modell ist, dass so viele wie möglich die Chance bekommen, sich in einer durchaus herausfordernden Studieneingangsphase zu bewähren. Die Studierenden haben dort auch die Chance, Wissen nachzuholen.

STANDARD: Die Eingangsphase wird sehr unterschiedlich umgesetzt. Gehört sie vereinheitlicht?

Engl: Es muss nicht alles einheitlich sein, aber die Anforderungen sollten an verschiedenen Unis und an unterschiedlichen Studienrichtungen vergleichbar sein. Die Studieneingangsphase soll in allen Fächern so sein, dass sie repräsentativ abbildet, was die Anforderungen im Studium sind.

STANDARD: Sie wollen also mehr Vorgaben im Gesetz?

Engl: Ich rufe nicht nach einer gesetzlichen Regelung, weil mir die Autonomie der Universitäten wichtig ist. Aber der derzeit laufende Evaluierungsprozess ist wichtig.

STANDARD: Derzeit macht laut einer aktuellen Studie ein Viertel der Studierenden im ersten Semester keine einzige Prüfung. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Engl: Dass an der Universität Wien ein Drittel bis Februar nicht einmal versucht, eine Prüfung zu machen, ist schon bedenklich. Das liegt vielleicht an der derzeitigen Unverbindlichkeit, man ist auch orientierungslos. Das kann man durch die Studieneingangsphase verbessern, das zeigen auch unsere Zahlen. Die Studenten brauchen mehr Orientierung. Es gibt hier keine Konzepte, das wäre auch Aufgabe der Schulen. Vielleicht tragen die Diskussionen über Aufnahmetests dazu bei, dass Studenten verstärkt das Infoangebot nutzen und früher überlegen, was sie studieren wollen.

STANDARD: Was halten Sie von dem Vorschlag, dass man im ersten Semester verschiedene Studien ausprobieren kann?

Engl: Im Bologna-System dauert das Bachelorstudium nur drei Jahre, da ist ein Semester zu lang. Das ist auch eine Ressourcenfrage: Ein Semester, in dem man alles probieren kann, ist schwierig zu organisieren und zu argumentieren. (DER STANDARD, 8.7.2014)