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Das Zeitgeschichte-Museum Ebensee erinnert an das ehemalige Konzentrationslager im Ort.

Foto: apa/Hörmadinger

Bis Ende des Jahres soll sie stehen, die "Deeskalierungshotline" des Innenministeriums. Angehörige, die sich um die Einstellung von Jugendlichen sorgen, können dort anrufen und sich beraten lassen. Die Hotline soll Hilfestellungen bei Rechtsextremismus, Linksextremismus oder auch religiösem Fanatismus bieten, noch im Jahr 2014 soll sie umgesetzt werden, heißt es aus dem Ministerium. Wie einer der Berater des Ministeriums, der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl, bereits Ende Juni im Gespräch mit derStandard.at erklärt hat, soll bei der Hotline vor allem auf andere Beratungsstellen verwiesen werden. Für Rechtsextremismus gibt es allerdings keine solche Stelle.

Dabei liegt dem Ministerium bereits seit Juli 2013 ein Konzept von Wolfgang Quatember, Leiter des Zeitgeschichte-Museum Ebensee in Oberösterreich, vor. Er regt eine Beratungsstelle für Personen im rechtsextremen Umfeld und ihre Angehörigen an. Die Idee: Ein Soziologe oder ein Sozialarbeiter mit guten Kenntnissen über die rechtsextreme Szene soll Eltern, Arbeitskollegen und Lehrer beraten und auch Rechtsextreme selbst beim Ausstieg unterstützen.

Angesiedelt sein soll die Beratungsstelle im Zeitgeschichte-Museum, das an die Geschichte des Konzentrationslagers Ebensee erinnert. Die Beratungsstelle soll externe Berater wie Psychologen und Juristen beauftragen können. Die Kosten würden laut einem ersten Konzept bei 80.000 Euro pro Jahr liegen. In Deutschland existieren solche Stellen seit Jahren, der Verein "Exit" unterstützt etwa Rechtsextreme beim Ausstieg aus der Szene.

Vorfälle in Oberösterreich

Ebensee würde sich als Standort für eine Beratungsstelle anbieten, weil in der Umgebung des Öfteren rechtsextreme Vorfälle zu verzeichnen seien, wie etwa durch das rechte Netzwerk "Objekt 21" in Vöcklabruck, heißt es im Konzept.

Auf die Idee einer Beratungsstelle sei Quatember gekommen, weil der Verein "Neustart", der Straffällige unterstützt, sich immer wieder an ihn gewendet hat. Der Verein schickt Jugendliche, die gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen haben und ihre Straftaten durch gemeinnützige Leistungen wiedergutmachen sollen, schildert Quatember im Gespräch mit derStandard.at. "Wir haben aber keine Psychologen und keine Sozialarbeiter." Im Verlauf der Gespräche habe er sich davon überzeugen können, dass diese Jugendlichen Betreuung und Beratung über einen längeren Zeitraum brauchen, um tatsächlich von der Szene wegzukommen, schreibt Quatember in seinem Ansuchen um Subventionen an das Innenministerium.

"Jugendliche länger begleiten"

"Diese Jugendlichen müssen länger begleitet werden, fünf Wochen Dienst für die Gemeinde ist absolut sinnlos", sagt er zu derStandard.at. Quatember stellt sich vor, dass die Ebenseer Beratungsstelle mobil tätig ist und mehrere oberösterreichische Bezirke besucht. Eine Hotline, wie sie das Innenministerium plant, sei zwar gut, aber trotzdem stelle sich weiterhin die Frage, wie man straffällig gewordene Rechtsextreme unterstützt. "Die Arbeitsämter haben auch keine Ahnung, wie sie mit ihnen umgehen sollen." Deshalb sei eine Beratungsstelle notwendig. Das Ministerium hat das Ansuchen Quatembers allerdings im September 2013 abgelehnt.

In einem Antwortschreiben, das derStandard.at vorliegt, begrüßt Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, zwar die Idee. "Derzeit gibt es in Österreich weder von NGOs angebotene Projekte noch etablierte behördliche Institutionen, die in organisierter Form derartige Unterstützungsarbeit für Rechstextremisten anbieten", schreibt er. Trotzdem könne das Ministerium "aufgrund der unklaren budgetären Situation eine vollständige Finanzierung des gegenständlichen Projektes leider nicht zusagen". Gridling empfiehlt, bei der EU und beim Land Oberösterreich um Unterstützung anzusuchen.

Quatamber ist enttäuscht: "Es ist nicht so, dass es keine Konzepte gäbe, nur die Politik lässt, immer mit dem Argument des budgetären Notstands, alles in der Schublade verschwinden."

Hotline "purer Populismus"

Auch Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees Österreich, hält eine Beratungsstelle für Rechtsextremismus für notwendig. Das Komitee bekäme regelmäßig Anfragen, habe aber nicht die Kapazitäten, um Rechtsextremen wirklich beim Ausstieg zu helfen. Er kritisiert das Vorhaben einer allgemeinen Deeskalierungshotline: "Das ist plumper Populismus, welchen Linksextremismus gibt es denn in Österreich? Das ist lächerlich." In Österreich gebe es den politischen Wunsch, dass es keinen Rechtsextremismus gibt, deshalb werde er weggeschwiegen.

Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, betont im Gespräch mit derStandard.at, dass es der ausdrückliche Wunsch des Ministeriums sei, sich nicht nur auf den Rechtsextremismus einzuschränken. Eine eigene Beratungsstelle, wie sie vom Museum in Ebensee vorgeschlagen wurde, sei nicht notwendig. "Man kann nicht nur für einen Teil bürokratische Strukturen einrichten, die Frage stellt sich auch aufgrund der Quantität gar nicht." Das Ebenseer Konzept verweise auf deutsche Ausstiegsstellen wie "Exit", beim Nachbarn gebe es aber wesentlich mehr rechtsextreme Vorfälle.

"Mehr als Telefonvermittlung"

Laut dem Ministeriumssprecher soll die Hotline außerdem "mehr sein als eine Telefonvermittlung". In welcher Form und ob Beratungsgespräche geführt werden sollen, ist derzeit aber noch unklar: "Die Details werden noch ausgearbeitet." Grundböck sieht aber keinen Bedarf dafür, dass Anrufer an eine Beratungsstelle für Rechtsextreme verwiesen werden können.

Er widerspricht damit dem Ministeriumsberater Kreissl. Ihm zufolge soll von der Hotline aus vor allem auf externe Beratungsstellen hingewiesen werden. Wenn sich der Ministeriumssprecher und der Berater des Ministeriums nicht einmal hier einig sind, dürfte die Konzeption der Hotline also noch sehr unklar sein. (Lisa Aigner, derStandard.at, 8.7.2014)