"Postler" Jeannée.

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Was das Thema Shitstorm betrifft, hat die Bildungs- und Frauenministerin gründlich nachgearbeitet, und das konsequent in den Zentralorganen jener Volksmusik, wie sie hierzulande von einem Herrn Gabalier verlautbart wird. Die Sonntagsausgaben von "Österreich" und "Kronen Zeitung" konnten jeweils über Doppelseiten melden, dass ein Schock - "Ich war echt geschockt" - nicht immer Schlechtes nach sich ziehen muss: "Ich bin ernster, stiller und ruhiger geworden." Aber übertreiben sollte man damit nicht, schon um die anonymen Freunde der volkstümlichen Katzenmusik nicht in dem Glauben zu wiegen, sie hätten einen Sieg errungen. Unter Schock neigt man gelegentlich dazu, Gefahren zu überschätzen, statt Gegner richtig einzuschätzen. Wenn Frau Heinisch-Hosek in "Österreich" meinte, "Man wird Buhfrau der Nation" ist das eine Verallgemeinerung, die einer Bildungsministerin nicht unterlaufen sollte. Mag es um die Nation auch nicht bestens bestellt sein - so weit ist es noch nicht, dass ein Haufen Rüpel die Nation sind.

Einen Shitstorm in die andere Geschmacksrichtung konnte "Österreich" ein paar Tage später vermelden. Shitstorm nach Nazi-Anspielung in "Krone". In der Hitze des Konkurrenzkampfes ist nicht einmal Antifaschismus verboten: Postler Jeannée im Visier. Das Internet ist eben ein weites Land, da finden sich Morddrohungen gegen eine Ministerin, die das korrekte Absingen der Bundeshymne einmahnt, neben Rücktrittsforderungen an einen Briefsteller, der nazistisches Liedgut derart verinnerlicht hat, dass es nur einer Gelegenheit bedarf, um es herauszulassen. Heute die Brasilianer und morgen die ganze Fußballwelt. Mit einem Endspielsieg in Rio, ging es mit Jeannée vor dem Match gegen Deutschland durch.

Jeannée hatte in seinem Text ein altes SA-Kampflied zitiert und den "Endspielsieg" herbeigesehnt - eine Anspielung auf die Nazi-Diktion "Endsieg", belehrte "Österreich" seine Leser über den Wiederholungstäter. Wieder Wirbel um den "Krone"-Kolumnisten beziehungsweise um den umstrittenen "Krone"-Postler, der einen Shitstorm im Internet ausgelöst habe.

Als Muster-Stormer führte das Blatt ZiB2-Moderator Armin Wolf an, der twitternd das mitteleuropäische Alleinstellungsmerkmal der "Krone" hervorhob: "Das Interessante ist ja, dass Jeannées Deutschlandlied in keiner Tageszeitung Deutschlands veröffentlicht werden könnte. Undenkbar." Selbst der "Krone" war das zuviel, in der Morgenausgabe fielen einige Passagen weg.

Überraschend der Glaube von "Österreich" an den Endsieg des Guten in Dichands Reich: Nun droht Jeannée (71) endgültig der Rauswurf bei der "Krone". Die Hoffnung war freilich schwach begründet: Auf Twitter forderten bereits zahlreiche Journalisten seinen Abgang. Sollte es dazu kommen, dann vermutlich nicht wegen dessen deutschnationaler Begeisterung. Eher schon wegen des Porträts in "Österreich", das einen berauschten Sandler mit dicker Zigarre darstellte, der schon deshalb nicht Michael Jeannée sein kann, weil er viel zu weit vom Idealbild des endsiegenden Deutschen entfernt ist.

Den Forderungen zahlreicher Journalisten nach einem Abgang Jeannées stehen freilich starke Kräfte entgegen, die, wann immer jemand - selbst schuld! - einem Polizisten vor den Pistolenlauf kommt, in Leserbriefen für seinen Verbleib werben. Nicht anonym äußerte sich Mittwoch Hermann Greylinger, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft, zu Jeannées Kolumne über den jüngst erschossenen Tankstellenräuber: Ich bin nicht allzu oft Ihrer Meinung, aber diesmal gratuliere ich recht herzlich zu Ihrer Post und bedanke mich im Namen der Kolleginnen und Kollegen der Polizei. Und ein Polizist aus OÖ lobte: Sie haben noch Verständnis für unsere von den Gutmenschen verteufelte und unterbezahlte Arbeit. Ich hoffe, dass Sie noch lange Ihre Post abschicken. Hut ab vor Ihnen!

Es war das in dieser Woche aber nicht der einzige Fall, in dem sich die "Krone" als Gesinnungspresse profilierte. Mittwoch lieferte Kurt Seinitz eine subtile Analyse Israels. Jüdischer Extremismus sollte in Israel auch nach der grausamen Verbrennung des 15-jährigen Palästinensers niemanden überraschen. Brutstätte des Extremismus sind die jüdischen Kolonialsiedler im besetzten Westjordanland. Vor diesem giftigen Natterngezücht, das dort entsteht, haben israelische Regierungen viel zu lange weggeschaut. Die "Krone" schaut hin: Goebbels hätte es nicht besser formulieren können. (Günter Traxler, DER STANDARD, 12./13.7.2014)