Es gibt Erdäpfelsuppe und Carne en Salsa. Nach der zweiten Mahlzeit erhalten die Kinder eine kleine Jause für zu Hause. Oft ist es das Einzige, was sie bis zum nächsten Tag zu essen haben.

Foto: Jan Marot

Pädagoge Miguel Rosúa engagiert sich in einem armen Viertel.

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Das Gelächter der Kinder ist weit zu hören. Weiter, als der Duft geschmorter Zwiebeln reicht, der aus der Küche der öffentlichen andalusischen Vor- und Volksschule im Norden Granadas strömt. Bei knapp 38 Grad Celsius steht Winterkost auf dem Speiseplan der in einem armen Viertel am Stadtrand gelegenen Gesamtschule: Guisadillo de Patatas, eine Art dicker Erdäpfelsuppe, und Carne en Salsa, ein gulaschartiges Gericht. Das Kochen übernimmt die städtische Zentralküche.

Insgesamt 120 Kinder und Jugendliche haben sich für die von der rechten Stadt- und der linken Regionalregierung finanzierte Sozialinitiative angemeldet. Jene im Alter bis neun Jahre speisen in einem Klassenzimmer, die Älteren, bis zu 16-Jährigen im zweiten Klassenraum. Die sogenannte Sommerschule bietet Montag bis Freitag neben zwei Mahlzeiten täglich acht Stunden Programm mit Sport, Fremdsprachen, Körperhygiene sowie Kommunikations- und Sozialkompetenzen wie etwa Konfliktbewältigung. Einmal die Woche geht's zum Strand, an weniger heißen Tagen auf Wanderschaft. Den Eltern kostet all das keinen Cent.

Freiwillige helfen

Die meisten Kinder kämen täglich, sagt Sommerschulen-Koordinator Miguel Ángel Rosúa - und zählt den Kulturenmix auf: Neben Roma, Lateinamerikanern, Russen und Rumänen kämen auch Kinder aus Nord- und Subsahara-Afrika. Seit drei Jahren widmet sich der Pädagoge mit acht Kollegen im Juli und August der Sommerschule. Ohne Freiwillige wäre die Aufgabe im ärmsten Stadtviertel Granadas, Almanjáyar im Distrito Norte, nicht bewältigbar, sagt Rosúa. Auch Familienmitglieder der Kinder helfen mit.

In dem Stadtviertel, das wie so viele andere unter Ex-Diktator Francisco Franco auf dem Reißbrett entstand, leben nach einer Zeit des Rekordbevölkerungswachstums über 90 verschiedene Nationalitäten. "Vom angekündigten Aufschwung ist hier nichts zu spüren. Die Krise war ein fataler Schlag für den Stadtteil", sagt Rosúa. Es werde immer nur noch schlimmer. Immer weniger Eltern könnten ihre Kinder ernähren. Nach Jahren Langzeitarbeitslosigkeit längst ohne Sozialhilfen, sind viele noch weiter sozial abgestiegen. Weit oben war hier aber ohnehin kaum jemand.

"Die Kinder verschlingen alles"

Wenn die Teller einmal leergegessen sind, ist es mit der Ruhe wieder vorbei. "Die Kinder verschlingen regelrecht alles, was auf den Tisch kommt. Viele wissen, dass sie bis morgen nichts mehr zu essen bekommen", sagt Rosúa. Mit Ausnahme des Abendjausensackerls mit einem kleinen Getränk und einem Snack.

Unterernährung im Kindesalter kann die Entwicklung nachhaltig stören und zu Herz-, Atemwegs- und Infektionskrankheiten führen. Gerade einmal 200 Schulküchen haben spanienweit über den Sommer geöffnet. Davon 153 auf den Kanaren, die meisten anderen in sozialistisch regierten Regionen wie Andalusien oder in der Extremadura - dort hatten Kinder schon aus Mangelernährung im Unterricht das Bewusstsein verloren.

"Einzige Mahlzeiten" für 500.000 Kinder

Einige Volkspartei-Gemeinden und ganze Regionen wie Madrid, Galicien, Kastilien-La Mancha und La Rijo stellten die Dienstleistung ein. Die Volksanwältin hatte eingefordert, "alle geöffnet zu halten, damit nicht 500.000 Kinder um ihre einzigen Mahlzeiten gebracht würden". Eltern fürchten auch den Verlust des Sorgerechts, sollte sich herumsprechen, dass sie die Kinder nicht versorgen können.

Unicef und NGOs wiesen zuletzt erneut auf den dramatischen Anstieg der Jugendarmut in Spanien hin. In einer Million Haushalte sind beide Elternteile arbeitslos. Rund 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren leben unter der Armutsgrenze - fast drei Millionen. Trotzdem investiert die spanische Regierung immer weniger Mittel in den Kampf gegen Kinderarmut, kritisiert die Uno. Die Rechtsregierung rang sich durch, 17 Millionen Euro für vier Jahre im "Strategischen Plan für die Kindheit und Jugend" zur Armutsbekämpfung" aufzuwenden. Das sind laut Opposition knapp 1,4 Euro pro dringend bedürftiges Kind. Pro Jahr. (Jan Marot aus Granada, DER STANDARD, 12.7.2014)