Mit Ende September soll die Wirtschaftsleistung neu berechnet werden. Berücksichtigt wird künftig auch alles, was illegal, aber freiwillig erfolgt.

Wien - Drogen, Prostitution, Schwarzarbeit, Schmuggel und Militärausgaben. Das sind Themen, mit denen sich derzeit europäische Statistikämter herumschlagen. Sie stellen zwar nicht den wichtigsten Aspekt bei der mit Ende September startenden neuen Berechnungsart der Wirtschaftsleistung dar, werfen dafür aber umso mehr Fragen auf.

Zudem geht es um Kategorisierung. Werden wirtschaftliche Aktivitäten als Vorleistung definiert, fließen sie nicht in die Wirtschaftsleistung ein - das erfolgt indirekt über den Verkauf des Fertigprodukts. So war beispielsweise Forschung eine Vorleistung. Künftig werden die Ausgaben als Investitionen eingestuft, die das Bruttoinlandsprodukt heben. In Österreich wird erwartet, dass das Land ab Oktober um drei bis vier Prozentpunkte reicher sein wird - zumindest auf dem Papier. Drei Viertel des Effekts gehen auf die Forschung zurück.

Diverse Randbereiche

Der Rest betrifft diverse Randbereiche. Das britische Statistikamt ONS hat dazu recht detaillierte Arbeiten veröffentlicht. Beim Beispiel Prostitution steht die Behörde nicht an, die hohe Unsicherheit in den Berechnungen zuzugeben. Dabei geht es nicht nur um die auf 58.000 geschätzten Akteurinnen in dem Gewerbe, sondern auch um deren Output und Vorleistungen. Mit umgerechnet 69,2 Euro wurde beispielsweise die durchschnittliche Entlohnung je Kunde ermittelt. Dann wären Vorleistungen in Abzug zu bringen - unter anderem 125 Euro für Kleider im Jahr und 50 Cent für Kondome pro Arbeitseinsatz. Dabei erachten die Briten diese Ausgaben als Einsatz im Produktionsprozess und damit nicht als BIP-relevant. Im Unterschied zu den Niederlanden, die Kleidung und Kondome von Prostituierten als Konsum werten, der sich in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung direkt niederschlägt.

Bewusst nicht eingeflossen ist der Außenhandelsaspekt. Zwar sei es offensichtlich falsch, davon auszugehen, dass Briten keine Liebesdienste jenseits der Insel in Anspruch nehmen, doch gebe es schlicht keine Möglichkeiten, diesen Umstand in Zahlen zu gießen.

Etwas genauer, wenngleich immer noch reichlich über den Daumen geschätzt, sind die Annahmen zum Drogenkonsum. ONS hat sich auf halbe-halbe festgelegt: 50 Prozent des im Königreich verkauften Cannabis werden importiert, ebenso viel als Eigenbau qualifiziert. "Intuitiv" haben die Statistiker die Produktionsfaktoren auf Energie und Saat reduziert. Sie gehen vom selben Verhältnis aus wie in der konventionellen Landwirtschaft, wohl wissend, dass Hanf oft in Gewächshäusern angebaut wird und daher einen höheren Energieanteil hat.

Einheitliche Standards

Apropos Niederlande: Für Marcus Scheiblecker vom Wifo ist die Einbeziehung von Aktivitäten wie Prostitution und Drogenhandel schon deshalb keine Trickserei, weil damit einheitliche Standards geschaffen werden. Bisher habe Den Haag legalen Haschkonsum auch schon berücksichtigt, andere Länder aber nicht.

Berücksichtigt wird künftig alles, was illegal, aber freiwillig erfolgt. Ein Auftragsmord muss also nicht geschätzt werden, Schwarzarbeit hingegen schon. Allerdings wurde die Schattenwirtschaft auch bisher schon in den meisten Ländern statistisch erfasst. Neu ist neben der Forschung die Verbuchung von Militärausgaben als Investition und nicht mehr als Vorleistung. Unter dem Strich profitieren reichere Länder in Mittel- und Nordeuropa stärker von der Revision, weil sie höhere Forschungsausgaben tätigen.

Relevant sind die Veränderungen hinsichtlich Defizit- und Schuldenquoten, die dadurch künstlich sinken. In Österreich wird dieser Effekt freilich durch Erfassung von ÖBB- und BIG-Schulden überkompensiert. (as, DER STANDARD, 12.7.2014)