Von der Wiener "Gruft" , dem Obdachlosenasyl, bis zum Kreml spannten sich zuletzt die persönlichen Kontakte von Heinz Fischer, der vergangene Woche auf zehn Jahre Bundespräsident zurückblicken konnte.

Der Besuch bei der Caritas galt der wachsenden sozialpolitischen Problematik, die umstrittene Visite des Kreml-Chefs in Wien sah Fischer auf der Seite der Putin-Versteher. Und plötzlich, angesichts des Ukraine-Konflikts, als Interpret einer staatlichen Neutralität, die man schon für völlig verzichtbar gehalten hatte.

Das umreißt den weiten Bogen, in dem das Staatsoberhaupt sich bewegt. Fischers Amtsantritt hat sich mit dem Staatsbegräbnis für den wenige Tage vor dem Ende seiner Ära verstorbenen Thomas Klestil überschnitten.

Der Vorgänger war an die Grenzen gegangen. Er hatte Einmischung angekündigt - und sie verwirklicht. Aber er scheiterte an der Errichtung einer Expertenregierung und an der Verhinderung des Schüssel-Haider-Paktes im Jahre 2000. Trotzdem gab er nicht auf, als er mehrere nominierte FPÖ-Minister blockierte. Klestils Präsidentschaft wurde überschattet von privaten und gesundheitlichen Turbulenzen. Bis heute.

Der persönlich viel vorsichtigere Fischer stand anfangs unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse in der Hofburg rund um die Jahrtausendwende. Er wählte den Mittelweg: kein bloßer Staatsnotar, kein williger Abnicker, aber auch keiner, der wie Klestil die Republik an den Rand einer Staatskrise bringen würde. Fischer versucht - immer öfter - sich für linke politische Forderungen starkzumachen, zuletzt für vermögensbezogene Steuern und für eine Entlastung bei den Lohnsteuern. Beim Heeresvolksbegehren votierte der Oberbefehlshaber gegen die SPÖ.

Fischer repräsentiert die Rückkehr zur Normalität des Amtes. Aber er signalisiert durch die Wahl seiner Auftritte und den Inhalt seiner Reden, dass in der Mediengesellschaft die schnell verblassende Wirkung öffentlicher Mahnungen oder Interventionen überspielt werden kann. Man geht nicht einfach weiter, wenn er gesprochen hat.

Gerade weil in der Demokratiedebatte der Ruf nach der Stärkung von Direktwahlen lauter geworden ist, wäre es falsch, die vom Volk gewählte Person an der Spitze des Staates zu schwächen oder die Funktion des Bundespräsidenten überhaupt abzuschaffen.

Deshalb wird die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin in der Hofburg bald beginnen. Seit der schweren Erkrankung von Barbara Prammer schiebt sich in der SPÖ Sozialminister Rudolf Hundsdorfer nach vorn. Aber auch Europapolitiker Hannes Swoboda, dessen Art am meisten jener von Fischer ähnelt, wird in den Überlegungen eine Rolle spielen.

Aufseiten der ÖVP ist der am ehesten an Klestil erinnernde Erwin Pröll trotz zuletzt geringerer öffentlicher Auftritte der Favorit. Denn Michael Spindelegger, integer und erfahren, ist nicht mehrheitsfähig, weshalb die Partei im Falle eines Pröll-Verzichts sich wieder einmal für einen "unabhängigen" Kandidaten aus der Wissenschaft oder der Justiz entscheiden könnte. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 14.7.2014)