Hohe Klangqualität: Oratorium "Elisabeth von Thüringen" in der Stiftskirche Ossiach.

Foto: Neumüller

Ossiach - Budget, Fortbestand, Finanznöte: Ja, er wisse das Interesse zu schätzen, sagte Thomas Daniel Schlee, Intendant des Carinthischen Sommers, vor der Festivaleröffnung. Allein, er sei es leid, immer nur mit Äußerungen über Geldsorgen in Erscheinung zu treten. Die Kunst käme dabei in jeder Hinsicht zu kurz. Darüber, und nur darüber aber lohne es zu sprechen. Und das tat er dann auch, in geradezu atemberaubender Offenheit: "Ich kann", sagte Schlee am Samstag bei der Eröffnung in Ossiach sichtlich empört, "den Gesichtsausdruck jener nicht mehr ertragen, die aufgrund ihres Amtes zu ihrem Ärger und ihrer Langeweile angehalten sind, ihre Zeit - die sie doch, wovon sie überzeugt sind, 'Wichtigerem' vorbehalten wollen - der Kunst und, weitaus lästiger noch, den Künstlern zu widmen."

Vor Schlee hatte Landeshauptmann Peter Kaiser über Kärntens geerbte Schulden geredet, ohne allerdings das Milliardengrab Hypo Alpe Adria namentlich zu nennen. Seine eher unausgegorene Idee, Konzerte aus dem Barockstift Ossiach ab- und in anderen - größeren - Kirchen anderswo im Kärntner Land anzusiedeln (und so eine Kulturmarke mutwillig zu zerstören), behielt der aktuell amtierende Kärntner Kulturlandesrat Christian Benger (ÖVP) vorsichtshalber für sich. Stattdessen bedankte er sich (warum bei ihm?) bei Bundespräsident Heinz Fischer, einem der treuesten Stammgäste des Festivals, dafür, dass der Bund mehr Mittel zur Verfügung gestellt hatte, und bekannte: "Der Intendant ist nicht glücklich mit der Unterstützung durch das Land." Er sei es im Übrigen auch nicht. Und man versteht, warum: Von Inflationsabgeltung, die Kulturinstitutionen anderswo fordern, ist der CS weit entfernt: In Ossiach muss man froh sein, wenn man wenigstens auf dem Stand von 2012 weiterwursteln darf.

Schmale Beträge

Im vergangenen Jahr hatte es ja so ausgesehen, als drohe dem Festival überhaupt das Aus. Das Land hatte seine Subventionen um 18 Prozent gekürzt, worauf in einer doch eher seltsam anmutenden Logik die damalige Kulturministerin Claudia Schmied kurz vor der Eröffnung ebenfalls 70.000 Euro aus dem laufenden Budget strich. Ihr Nachfolger Josef Ostermayer, der sich bei der Eröffnung entschuldigen ließ, unterstützt das Musikfest dieses Jahr immerhin wieder mit 350.000 Euro. Damit erreicht man zwar nicht einmal der Stand von 2012 (370.000 Euro). Aber in Ossiach ist man - bei einem Gesamtbudget von 1,6 Millionen - trotzdem froh darüber.

Benger, der von mehr Kunst bei weniger Budget träumt, steuert heuer (und in den nächsten drei Jahren) 424.500 Euro aus dem Landeskulturbudget bei. Klingt besser, als es ist: Noch 2012 bekam der CS 474.000, 2011 sogar 524.000 Euro vom Land. 36.000 Euro wollte Benger zusätzlich springen lassen, wenn wieder Kirchenopern ins Programm gehievt werden. Schlee lehnte ab, mit diesem schmalen Betrag sei Kirchenoper auf internationalem Niveau nicht umsetzbar. Da sind auch die Subventionen der Festivalaustragungsorte Villach (inklusive Sachsubventionen 167.000 Euro) und Ossiach (17.000 Euro) sowie rund 119.500 Euro Sponsorengelder nur Tropfen auf dem heißen Stein. "Schönheit", sagte Schlee in seiner klugen Rede auch noch, "ist eine große Macht, weil sie eine gute Macht ist. Kunst wirkt: unmittelbar, direkt und im Innersten des Individuums wie auch als Gleichnis."

Bezaubernder Spitzenklang

Und weil er in seinem Herzensberuf ein großartiger, vielfach ausgezeichneter Komponist ist, schenkte Schlee dem Festival die Uraufführung seiner Komposition für symphonisches Blasorchester: Aufzug und fröhlicher Rückzug, intoniert von der Militärmusik Kärnten: heiter, gleichnishaft, vieldeutig - und gewürzt mit dem bezaubernden Spitzenklang feiner Ironie. Typisch Schlee eben.

Da ihm künstlerische Kompromisse fernliegen, gestaltete er auch das anschließende Eröffnungskonzert im Stift Ossiach als Herausforderung: Keine ohrwurmverdächtigen Schmeicheleien sondern Kunst pur. Schwere Kost. Programmatische Ansage. Wenn auch aus Geldnot keine Kirchenoper, so doch mit Nikolaus Fheodoroffs Elisabeth von Thüringen ein geistliches Werk hoher Güte. Fheodoroff (1931-2011) hatte das Kammeroratorium 2010 im Auftrag der Klagenfurter Elisabethinen für deren 300-Jahr-Jubiläum komponiert.

Mit heiligem Ernst, basierend auf einer Zwölftonreihe, versetzt mit ausreichend musikalischem und textlichem Pathos, erzählen Fheodoroff und Herbert Vogg (Text) die kurze und dramatische Lebensgeschichte der Landgräfin und späteren Heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231): "Ja, ich, die Mutter, entsage auch meinen geliebten Kindern. Ohne jede Einschränkung, rücksichtslos, will ich Gott lieben können und den Nächsten lieben können", singt, jubiliert Sopranistin Ursula Langmayr als Elisabeth. Stimmlich ebenso kirchenschifffüllend: Kurt Azesberger (Tenor) als Erzähler und Günter Haumer (Bass) als Konrad von Marburg, der Elisabeths Heiligsprechung vorangetrieben hatte. Stichwortgeber von der Kanzel herab: Sprecher Peter Uray als zweiter Erzähler.

Energetisch unglaublich präzis, nie schmalzig, das Orchester (Ensemble Prisma Wien), herausragend der junge Organist Johannes Zeinler sowie der fantastische Chor (Capella Nova Graz und Domkantorei St. Pölten).

Ein musikalisch berührender Abend unter der Leitung von Otto Kargl, mit ein bisschen viel Jesus-Glückseligkeit. Aber Gottes Wohlwollen kann dem Carinthischen Sommer bei seiner knappen Finanzausstattung nicht schaden. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 14.7.2014)