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Überall Vorständinnen? Ganz so dicht, wie die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes glauben machen wollen, ist die Neigung zum gendergerechten Schreiben und Sprechen aber bei weitem nicht.

Foto: apa/Jens Kalaene

Es ist ohnehin schon heiß in diesen Tagen. Schwer, sich da auf einen Text zu konzentrieren, wenn draußen das Badewetter lockt. Und dann noch das: Da will man locker-flockig die Paragrafen des Bundesgleichbehandlungsgesetzes lesen, und dann wird einem das durch diese fanatische Gender-Sprache vermiest (derStandard.at berichtete). In einem offenen Brief an das Frauen- und Wissenschaftsministerium möchten nun 800 UnterzeichnerInnen diesem "Wildwuchs durch das sprachliche 'Gendern'" Einhalt gebieten. Denn was sich etwa in Paragraf 2 des Bundesgleichbehandlungsgesetzes abspielt, ist weder les- noch verstehbar, wird kritisiert.

Na endlich packt das jemand an! Es ist ja wirklich schon zu viel des Guten: In der auflagenstärksten Zeitung Österreichs, an jedem einzelnen Stammtisch, in jedem Radiobericht, jedem einzelnen Pfarrblatt und, und, und! Überall wird - fast schon pathologisch - bei sämtlichen Berufsbezeichnungen die weibliche und männliche Form genannt, wo man auch hinhört, überall dieses gesprochene Binnen-I, das in der gesprochenen Sprache letztendlich nur die weibliche Form übriglässt. Überall Patientinnen, Schülerinnen, Forscherinnen, Präsidentinnen, Arbeiterinnen, Journalistinnen, Aktivistinnen. Stopp!

Die 800 UnterzeichnerInnen wollen es tapfer mit dem "diktatorischen Regime" von "kämpferischen Sprachfeministinnen" aufnehmen, wie es in dem offenen Brief heißt.

Voller Ernst

Nein, das alles ist kein Scherz, sondern bitterer Sommerloch-Ernst: Die UnterzeichnerInnen schlagen vor, das Binnen-I zu verbieten, ebenso hochgestellte Buchstaben bei Abkürzungen, etwa bei der Magistra (Mag.a). Auch dem Schrägstrich soll es an den Kragen gehen, wenn er nur zu dem Zweck rumhängt, die männliche und weibliche Form auszudrücken. Akzeptiert wird hingegen die ausgeschriebene Variante: Danke, liebe Unterzeichnerinnen und Unterzeichner.

Nun ist es ja schon völlig verquer, an einem Gesetzestext die fehlende Lesbarkeit zu kritisieren, wie es in dem offenen Brief passiert. Denn Lesbarkeit hat in diesen Texten nicht oberste Priorität, sondern Präzision. Genau darum sind auch AutorInnen bemüht, die sich an gendergerechter Schreibweise versuchen. Auch wenn diese Versuche nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind, sind sie dennoch ein Muss. Denn Sprache muss sich ebenso wie eine Gesellschaft weiterentwickeln und darf nicht als Bastion altbackener Traditionen missbraucht werden.

Einmal Realitätscheck, bitte

Doch entgegen der Meinung der UnterzeichnerInnen sind die "Sprachfeministinnen" auch nur nahe dran, das als Mainstream-Meinung durchzusetzen. Im Gegenteil. Dennoch kommt geschlechtergerechte Sprache hier und da vor: eben in Gesetzestexten, in wissenschaftlichen Artikeln, in manchen Seminaren oder Vorlesungen auf den Universitäten, in Stelleninseraten, in feministischen/frauenpolitischen Zeitschriften.

Vielleicht gehören die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes ja zu den emsigen LeserInnen solcher Zeitungen, was die öffentliche Wahrnehmung bezüglich eines "diktatorischen Regimes" womöglich etwas beeinflusst hat. Wie auch immer: Ein Realitätscheck ist dringend anzuraten, um herauszufinden, welcher sprachliche Stil tatsächlich in der Übermacht ist. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 15.7.2014)