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Mit einem großen Poster, aber gemischten Gefühlen wurde Frankreichs Präsident François Hollande zum Auftakt seiner Afrikareise Donnerstag und Freitag in Côte d'Ivoire erwartet.

Foto: Reuters / Luc Gnago

Man hatte es schon fast vergessen: In West- und Zentralafrika herrscht ebenfalls Krieg. Der französischen Öffentlichkeit wurde dies Anfang der laufenden Woche bewusst, als in Mali ein neunter französischer Soldat bei einem Selbstmordattentat von mutmaßlichen Jihadisten umkam. Im Jänner 2013, zum Start der Mission "Serval", hatte François Hollande versprochen, diese werde nicht mehr als "einige Wochen, höchstens Monate" aktiv sein.

In einem Blitzkrieg vertrieben 4600 französische Elitesoldaten und Fremdenlegionäre damals die Gotteskrieger aus dem Norden des Landes. Doch die regionalen Al-Kaida-Ableger haben sich nur ins unwegsame Ifoghas-Gebirge zurückgezogen. Immer wieder beweisen sie mit blutigen Anschlägen ihre Gefährlichkeit.

Jetzt muss Hollande die Mission "Serval" in eine stationäre Truppe von 3000 Mann verwandeln. Zu diesem Zweck ist er am Donnerstag für drei Tage nach Côte d'Ivoire, Niger und in den Tschad verreist. Das neue Truppenkontingent, "Barkhane" (Sanddüne) genannt, soll über die Grenzen Malis hinaus in Nachbarländern wie Niger, Burkina Faso, Mauretanien und dem Tschad operieren.

Frankreich muss allein aktiv werden

Im Unterschied zu "Serval" verfügt das Kontingent über kein Uno-Mandat. Das linke Infoportal Mediapartwirft Hollande daher vor, er knüpfe mit dieser flächendeckenden Militärpräsenz an das Denken der "Franç-afrique" an - der aus Kolonialzeiten stammenden französischen Allmacht in der Region.

Hollandes Berater verteidigen sich, Frankreich müsse wohl oder übel allein aktiv werden, wenn andere westliche Staaten oder Sahel-Staaten nicht wirklich bereit seien, sich am Kampf gegen Al-Kaida zu beteiligen. Die Operation "Serval" habe das Schlimmste verhütet - nämlich die Einrichtung eines Gottesstaates am Südrand der Sahara. In Zentralafrika habe Frankreich mit seinem zweiten Truppeneinsatz namens Sangaris sogar einen Völkermord der Christen an Muslimen verhindert, lautet die offizielle Sprachregelung in Paris.

Das Problem an der Sache ist: Weder in Mali noch in Zentralafrika ist eine Befriedung, geschweige denn ein politischer Prozess bisher wirklich in Gang gekommen. In der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui findet vielmehr eine ethnische Säuberung mit der Vertreibung der muslimischen Händler statt.

"Zu beklagen sind Morde, gezielte Tötungen, sexuelle Gewalt, Lynchjustiz, Plünderungen und Zerstörungen, wobei die Akte kollektiver Gewalt ein nie gekanntes Ausmaß erreichen", ist in einem Uno-Bericht zu lesen. Die 1600 französischen Soldaten vor Ort sind machtlos.

Alleine gegen Al-Kaida

In Mali ist der neue Staatspräsident Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) seinerseits unfähig, eine Verhandlungslösung mit den Tuareg zu erzielen. Statt eines nationalen Schulterschlusses gegen die Jihadisten haben sich diese heute weitgehend sesshaften Nomaden und die malische Armee in der Wüstenstadt Kidal unlängst Gefechte mit 50 Toten geliefert.

Bei ihrem Kampf gegen Al-Kaida sind die Franzosen daher völlig auf sich gestellt. Zugleich läuft ihnen Algerien den diplomatischen Rang ab: Tuareg-Fraktionen, die betroffenen Sahelstaaten sowie Uno-Delegierte haben am Mittwoch in Algier Verhandlungen über eine Autonomielösung in Nordmali begonnen.

Die Franzosen dürfen sich hintergangen fühlen: Sie holen für Mali militärisch die Kastanien aus dem Feuer, werden aber von den rivalisierenden Algeriern politisch kaltgestellt. In Paris meinen mehr und mehr Stimmen, Frankreich sitze in dieser Sahel- und Sahara-Region in einem "bourbier" - zu Deutsch: in der Patsche. Hollande kann und will die französische Truppenpräsenz aber nicht beenden. Dies käme für ihn einer politischen Niederlage gleich - und zwar in der einzigen Domäne, in der er bisher reüssiert hatte.

Bei seiner Tournee sucht er sein Heil vor allem beim nigerischen Staatschef Mahamadou Issoufou sowie beim tschadischen Präsidenten Idriss Deby, die regional viele Fäden ziehen. Doch auch diese gewieften Politiker bleiben heute auf Distanz zur ehemaligen Kolonialmacht. Frankreich hat in seinem einstigen "Hinterhof" viel Einfluss verloren. Und das wird Hollande auf seiner Afrikatournee zu spüren bekommen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 18.7.2014)