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Der Schuldenrucksack der Krisenländer schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein.

Foto: ap/gonzalez

Madrid - Der Sekt wird wohl eingekühlt bleiben, wenn Spanien bald einen neuen Rekord aufstellt. Das Land steht kurz davor, die Grenze von einer Billion Euro an Staatsschulden zu erreichen. Mit Ende Mai waren es 996 Milliarden Euro, wie neue Zahlen der spanischen Notenbank zeigen. Es wäre ein Wunder, wenn die Billion nicht schon im Juni erreicht werden würde. Damit steht der Staat mit etwa so viel Geld in der Kreide, wie das ganze Land in einem Jahr erwirtschaftet.

Noch vor wenigen Jahren war Spanien ein Vorbild für andere, die Staatsschuld klein. Eine Krise und vier Millionen zusätzliche Arbeitslose später ist das aber anders. Das Land hat also wegen der Krise hohe Schulden und kommt wegen dieser hohen Schulden auch nicht aus der Krise.

Schwerer Rucksack

Eine aktuelle Analyse des IWF zeigt nämlich, dass seit 2007 jene Euroländer am wenigsten gewachsen sind, die am stärksten mit Schulden zu kämpfen haben. Der Staat hält sich mit Ausgaben zurück, die Unternehmen investieren nicht, weil sie Kredite zurückzuzahlen haben.

Die Menschen bleiben aus demselben Grund den Einkaufsstraßen fern. Geht es nach der Ratingagentur S&P, dann wird der Schuldenrucksack noch länger auf das Wirtschaftswachstum Südeuropas drücken. Für Menschen ohne Arbeit wird die Jobsuche also auf absehbare Zeit weiter hart sein.

Noch viel zu tun

Zahlen aus dem Juni zeigen, dass Spanien und Irland schon einen Teil der Aufgabe erledigt haben. Spanische Unternehmen haben ein Viertel der seit 1999 angesammelten Schulden abgebaut, irische Haushalte ein Drittel aller Schulden abbezahlt. Sieht man aber von diesen Teilerfolgen ab, liegt der Großteil der Hausaufgaben noch unerledigt da.

Nimmt man die Krisenländer und Slowenien zusammen, dann ist die Schuldenquote in diesen Ländern zwischen 2006 und 2013 um 106 Prozent des BIP gestiegen, wie S&P zeigt. Seit sie nicht mehr weitersteigt, ist die Quote um lediglich drei Prozent gesunken. Die Privatverschuldung geht zurück, die öffentliche steigt weiterhin. In Griechenland und Italien ist in Summe noch gar nichts passiert, rechnet man den Staat dazu, dann hat auch Spanien noch nicht damit angefangen, seine Schuldenlast abzubauen, so S&P.

In die Offensive

Spanien versucht nun, mit einer Steuer auf Bankeinlagen gegenzusteuern. Sie soll knappe 400 Millionen Euro pro Jahr bringen. Die Steuer war vorher schon von einigen Kommunen eingehoben worden und wird jetzt vereinheitlicht, also in ganz Spanien eingeführt. Gleichzeitig werden aber die Einkommens- und Unternehmenssteuern über die nächsten beiden Jahre gekürzt. Die Regierung will die Wirtschaft antreiben, Kritiker fürchten, dass die Staatsschulden dadurch weitersteigen könnten.

Das Land steht im Vergleich mit den Krisenländern aber noch relativ gut da. Heuer wird die Schuldenquote auf etwa 100 Prozent des BIP steigen, das Wifo erwartet für Irland 120 Prozent, für Portugal 127 Prozent. Italien soll auf 134 Prozent und Griechenland auf 176 Prozent kommen.

Inflation und QE

Wie Europa aus der Misere kommen soll, ist umstritten. Das Analyse-Institut Capital Economics betont gegenüber dem STANDARD, dass die Inflation in der Eurozone zu niedrig sei. Steigen die Preise, ziehen auch Einkommen und Steuereinnahen mit.

Der IWF hat eine weitere Idee: Die EZB solle wie die US-Notenbank aggressiv Wertpapiere aufkaufen. Das würde die Zinsen für die Schulden senken und den Wert der Privatvermögen steigern. Die Organisation nimmt sich seit längerem kein Blatt vor den Mund, was Kritik an Europa betrifft.

Schuldennachlass

So stößt sich der IWF auch an den Regeln, die die EU aufgestellt hat, um in Zukunft Schuldenkrisen zu verhindern. Sie seien zu kompliziert, würden teilweise auf unsicheren Zahlen beruhen und könnten langfristige Investitionen verhindern. Die EU schnürt Schuldenländer künftig ja in ein enges Korsett.

Wer eine Schuldenquote von über 60 Prozent hat, muss die Differenz dazu innerhalb von 20 Jahren abbauen. Italien oder Griechenland werden also ins Schwitzen kommen. So weit wollen es manche aber gar nicht kommen lassen. Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff forderte in einem Kommentar erst kürzlich einen Schuldennachlass für ganz Südeuropa. (Andreas Sator, DER STANDARD, 18.7.2014)