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Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif, der für den Iran verhandelt. Es heißt, er und Präsident Hassan Rohani haben die volle Unterstützung des religiösen Führers Ali Khamenei.

Foto: EPA/HANS PUNZ

Wien - Alle drei Optionen lagen gerüchteweise diese Woche auf dem Tisch, vom Durchbruch bis zum Scheitern. Jetzt ist die wahrscheinlichste Variante eingetreten: Die Atomgespräche mit dem Iran, die am 20. Juli ihre ursprünglich angepeilte Deadline erreichten, werden verlängert.

Allerdings sind die Details ein eigenes Thema - die vergangenen sechs Monate bestanden ja aus einem Aktionskatalog für beide Seiten, der sich nicht unendlich lange einfrieren lässt.

Dem erfolgreichen Format EU, Uno-Vetomächte und Deutschland wird auch die in das Dossier eingearbeitete Chefverhandlerin Catherine Ashton abhandenkommen, wenn es zu lange dauert. Hoffentlich bleibt in diesem Fall wenigstens die Beamtenebene unter ihr - die Deutsche Helga Schmid (Vizegeneralsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes) und der Österreicher Stephan Klement, ein Atomwissenschaftler und Jurist - konstant.

Die Konfusion um 190.000

Als großes Thema hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen das herauskristallisiert, was in dem im Jänner beschlossenen Joint Plan of Action (JPOA) als die zu verhandelnden "praktischen Bedürfnisse" des Iran festgeschrieben ist: der Bedarf an Nuklearbrennstoff in der Zukunft und der dazu nötigen Urananreicherung. Im Grunde genommen ist die Meinung der beiden Seiten darüber gar nicht so weit entfernt. Die Frage besteht eher darin, dass der Iran jetzt etwas haben will, was er erst später brauchen wird. Es geht also auch um die Fristen. Manche Experten, wie der Princeton-Professor Frank von Hippel im STANDARD-Gespräch, meinen deshalb, man sollte zur Überbrückung einen Interimsdeal andenken.

Für Konfusion hat die von den Iranern genannte Zahl 190.000 gesorgt: In den Medien, aber auch bei Pressekonferenzen war von 190.000 Zentrifugen für die Zukunft die Rede, die der Iran wolle, also ungleich mehr als die jetzt laufenden gut 10.000. Die Iraner pochen darauf - und beschuldigen westliche Medien der antiiranischen Propaganda -, dass 190.000 SWU gemeint sind: Separative Work Units, mit denen die Leistung von Zentrifugen gemessen wird. 190.000 SWU wäre der iranische Bedarf für einen längeren Zeitraum, laut Chef der iranischen Atomenergieorganisation, Ali Akbar Saleh, für acht Jahre.

Wenn der Iran nur mit seiner ersten Zentrifugengeneration (IR-1) anreichern würde (eine IR-1 produziert jährlich ca. 1 SWU), brauchte er mehr davon als von späteren, leistungsfähigeren Zentrifugentypen, die momentan nicht operativ sind.

In der Diskussion geht es den Iranern einstweilen vor allem um den Brennstoff für ihr Kraftwerk Bushehr, wobei der Bau von bis zu vier neuen Reaktoren geplant ist. Bis 2021 hat der Iran für Bushehr einen - für den Iran finanziell ungünstigen - Vertrag mit Russland. Überflüssig zu sagen, dass Russland gerne über 2021 hinaus liefern würde. Der Iran will jedoch unabhängig werden, wobei dies auch wieder gar nicht so einfach ist: Das Patent für den Brennstoff haben Russland und Argentinien, und wenn der Iran in Bushehr selbstproduzierten verwendet, könnte sich die Frage der Gewährleistung für das Kraftwerk stellen.

20 Prozent eingestellt

Allerdings hat der Iran auch schon den Brennstoff (aus seinem auf 19,75 angereicherten Uran) für seinen kleinen Forschungsreaktor in Teheran (TRR) selbst hergestellt, den es eigentlich von Argentinien kaufen sollte, aber wegen der Sanktionen nicht bekam. Für den TRR hat der Iran jetzt genug Brennstoff für die nächsten Jahre, die Anreicherung auf 19,75 ist unter dem JPOA eingestellt und soll es auch bleiben.

Diese iranischen Bedürfnisse gilt es für ein Abkommen mit jenen der internationalen Verhandler zu versöhnen, die wollen, dass der Iran immer eine kalkulierbare Zeit, bis zu einem Jahr, davon entfernt bleibt, genügend Material für eine weitere Anreicherung für eine Bombe zu produzieren. Experten beziffern die dafür akzeptablen jährlichen SWU auf ca. 9000, also unter den gut 10.000, die der Iran jetzt produziert. Von den genannten 190.000 ist man dann doch wieder weit entfernt, auch wenn man sie auf acht Jahre rechnet. Auf alle Fälle müsste man, sagen unabhängige Experten, dem Iran Brennstoffsicherheit garantieren, etwa durch internationale Modelle.

Natürlich gibt es auch noch andere Knackpunkte, aber die Urananreicherung dominiert die Diskussion. Der Iran scheint bereits einverstanden zu sein, seinen noch nicht fertigen Schwerwasserreaktor in Arak so zu rekonfigurieren, dass die Möglichkeit zur Plutoniumproduktion drastisch minimiert wird. Er könnte von 40 auf 10 Megawatt verkleinert werden, anstelle von natürlichem sollte Brennstoff von auf 3,5 angereichertem Uran verwendet und die abgebrannten Brennelemente aus dem Lande geschafft werden (Anlagen zur Wiederaufbereitung hat der Iran auch keine).

Die anderen Fragen

Bleiben noch die offenen Fragen zu PMDs (Possible Military Dimensions), anderen, die in den Uno-Resolutionen vorkommen (etwa Irans Raketenprogramm) und natürlich die Notwendigkeit von verstärktem Monitoring und Inspektionen des iranischen Atomprogramms. Letzteres wäre wohl nur eine Formsache, wenn der Iran einen Deal akzeptiert.

Die PMDs, die Investigation darüber, woran der Iran in der Vergangenheit geforscht hat, spielt in dem Diskurs momentan keine so große Rolle: Die internationale Non-Proliferation-Gemeinschaft konzentriert sich offenbar ganz auf die Zukunft, auf die Verhinderung eines iranischen "Ausbruchs" durch Produktion von spaltbarem Material. Die Arbeit der Internationalen Atomorganisation (IAEA) an der Aufklärung der Fragen wird aber sicher über den 20. Juli hinausgehen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 19.7.2014)