Sieht neokroatisch aus, kocht aber altösterreichisch: das Merlo der Kornat-Macher in der Wiener Bäckerstraße.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Beim Gulasch überzeugt der Saft mehr als das trockene Fleisch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

So ähnlich darf man sich wohl die Speiskarte eines Wirtshauses in Pula anno 1907 ausmalen: Klar, dass es im venezianisch geprägten Haupthafen der k. u. k. Marine den rustikal hergeknofelten Stockfischaufstrich Baccalà mantecato gibt, frittierte Sprotten oder frische Vongole in Jungzwiebelsud. Aber auch grandiosen, zweieinhalb Jahre gereiften Prsut aus Dalmatien, Cevapcici mit Ajvar oder die für Istrien typische Fuz i-Pasta mit Trüffeln. Nur: Für die hier stationierten Marine-Soldaten aus Österreich muss natürlich auch gesorgt werden, mit Eisalat, Liptauer und Grammelschmalz, mit Wiener Schnitzel oder einem ordentlichen Rindsgulasch mit Semmelknödel.

All das gibt es im Merlo, das Multi-Gastronom Zeljko "Merlo" Radic (neben dem Wiener Top-Dalmatiner Kornat und einem Eissalon in Favoriten noch zwei Restaurants in Zagreb und eines in Trogir an der dalmatinischen Küste) in der Bäckerstraße aufgesperrt hat. Zuvor war hier, exakt vis-à-vis vom Figlmüller, ein eher unglücklich bespieltes rumänisches Restaurant.


Richtig tolle Weine

Radic ließ den von prächtigen Gewölben bestimmten Raum mit riesigen Weinkühlschränken, mit Makassar-Furnier an Tisch und Wand, mit viel blauem Leder und Glas eher neokroatisch denn altösterreichisch einrichten und einen Weinkeller mit richtig tollen Weinen aus Österreich und Kroatien, aber auch aus Bordeaux, vom Rhein und aus der Toskana auffüllen. "Ich wollte ein Weinlokal machen, in dem es gutes Essen in kleinen Portionen gibt", sagt er.

Dementsprechend kostet kein Gericht mehr als elf Euro, das Allermeiste kommt deutlich günstiger aus der Küche. So lässt sich in bester Tapas-Manier gustieren und abwägen, ob zum Malvasier von Meneghetti das Carpaccio vom Branzino mit Erdbeeren (eine ebenso tollkühne wie gelungene Kombination) und istrischem Olivenöl besser passt oder doch der butterweiche Oktopussalat. Bei den Fischgerichten kann man den im Kornat ausgebildeten Köchen des Merlo nichts vormachen: In Polentagrieß frittierte Rotbarbenfilets, ein Tagesgericht, ist von ideal knuspriger Saftigkeit, der prägnante Geschmack des Felsenfisches wird von der dezent geknofelten Aioli nicht erschlagen, wunderbar. Wie Ceviche marinierter Wolfsbarsch ist auf Brunnenkresse gebettet, dazu gibt es Orangenfilets und ein paar Krümel hocharomatischen Frischkäses, auch sehr angenehm.

Cevapcici-Miniaturen

Aber es ist Radic hoch anzurechnen, dass er sich nicht nur auf derlei sicherem Terrain bewegt, sondern sich auch der in Wien so stiefmütterlich behandelten Cevapcici annimmt und vier perfekt saftig-knusprige, ideal elastische Cevaberln auffahren lässt, inklusive mildem rotem Zwiebel und hausgemachtem Ajvar - nur der Preis, neun Euro, sollte überdacht werden. Immerhin gibt es ums selbe Geld auch einen Topf Vongole oder einen kleinen Teller sehr guten Fritto Mistos. Beim Gulasch hingegen überzeugt einstweilen der Saft mehr als das gar magere, ergo trockene Fleisch.

Dafür sind die kleinen Käsekrainer mit bissfest gekochtem Sauerkraut und Berglinsen ein echter Bringer. Fazit: Trotz fehlenden Gastgartens könnte es schon demnächst eher schwierig sein, hier ohne Reservierung einen Tisch zu bekommen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 25.7.2014)