Wien - Der Freitag wird anstrengend für die südafrikanische Choreografin Dada Masilo. Denn an diesem Abend müssen sie und ihre Tänzer aufgrund der großen Nachfrage ihr Stück Swan Lake im Volkstheater bei Impulstanz gleich zweimal hintereinander zeigen. Die 2010 in Grahamstown uraufgeführte internationale Erfolgsproduktion war im Vorjahr beim Innsbrucker Tanzsommer erstmals in Österreich zu sehen.

Jetzt zieht das Wiener Festival nach, und die Premiere wurde vom Publikum teils mit Standing Ovations aufgenommen. Die 29-jährige Aufsteigerin, die bei Impulstanz 2013 in dem Stück Refuse the Hour von William Kentridge zu sehen war, hat auch schon andere Ballettklassiker bearbeitet, darunter Carmen oder Romeo und Julia. So etwas ist auf jeden Fall ein fast ideales Rezept, um ein breites Publikum anzusprechen. Gelingen kann das aber nur mit einem gewissen Extra. Und dieses ist in ihrer starken Bühnenpräsenz erst einmal Masilo selbst.

Ästhetisch rüttelt die Choreografin dem Ballett am Gestell. Das klassische Ballett ist immer noch das archetypische Modell für den europäischen künstlerischen Tanz. Seine alles beherrschende Hegemonie hat es im Lauf des vorigen Jahrhunderts zwar langsam verloren. Aber noch langsamer wird die Regel hinterfragt, dass nur "europäisch aussehende" Ballerinen und Ballerinos in klassischen Werken auftreten sollen.

Verschränkung der Farben

In diese Bastion bricht Dada Masilo in ihrem Swan Lake mit vifer Unbeschwertheit ein. Dabei ist ihre Truppe nicht einmal ausschließlich mit schwarzafrikanischen Tänzern besetzt. Masilo verschränkt "schwarz" und "weiß" mit Betonung des Ersteren, und sie rührt zugleich auch an den Geschlechterrollen. Ihr Siegfried ist zwar ein Mann und ihre Odette, die sie selbst verkörpert, eine Frau. Doch ihre Odile wird zum Otto (zur Erklärung: sowohl Odette als auch Odile stammen als Namen vom althochdeutschen Wort "ot" in der Bedeutung von Reichtum und Besitz ab), und Männer wie Frauen tanzen in weißen Tutus.

Bei dem klassischen Schwanensee ist die Odile als schwarzer, erotischer Fetisch ein Symbol der Täuschung und Versuchung. Auch Masilos Otto spielt da eine ähnliche Rolle. Und obwohl alle Beteiligten um ein Happy End umfallen, bleibt das ganze Stück schwerelos. Im Genderspiel zum Beispiel sind die New Yorker Boys von Les Ballets Trockadero de Monte Carlo, deren Ballettpersiflagen seit 40 Jahren Welterfolge feiern, sicher radikaler als Masilo.

Ihr Schwanenstück läuft auf eine letztlich freundliche Parodie hinaus. Das hätte Dada Masilo mit einigen Brüchen verhindern können. Doch sie wollte offenbar etwas Verbindliches schaffen. Es ist ihr gelungen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 24.7.2014)