Iran und die P5+1-Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland) haben sich nach einem 14-tägigen Verhandlungsmarathon in Wien auf eine Fortsetzung der Gespräche bis zum 24. November geeinigt. Bis dahin soll eine umfassende Einigung erreicht werden.

Fortschritte müssen vor allem darin erzielt werden, wie man sinnvolle Maßnahmen festlegt, welche die friedliche Natur des iranischen Nuklearprogramms sicherstellen. Iran pocht hierbei auf Transparenz als Hauptfaktor, während die P5+1 eine deutlich kleinere Kapazität des Nuklearprogramms fordern.

In einem ausführlichen Interview mit der New York Times legte Außenminister Sarif Irans "innovatives Angebot" dar, welches unter anderem beinhaltet, bis zu sieben Jahre von einer Ausweitung der Anreicherungskapazitäten abzusehen. Nach diesem Zeitfenster jedoch dürfe es keinerlei Einschränkungen mehr für das Nuklearprogramm geben.

Weiterhin wird angeboten, den nuklearen Treibstoff in Brennstäbe zu konvertieren. Einmal konvertiert, kann eine weitere Anreicherung des Materials auf die für Nuklearwaffen notwendigen 90 Prozent nicht mehr erfolgen.

Der "praktische Bedarf" des Nuklearprogramms für den Iran wurde unlängst in einem Dokument detailliert dargestellt. Dass der Iran so entschlossen einen Deal zu erreichen versucht, hat innenpolitische Motive. Staatspräsident Rohani muss an Stärke gewinnen. Den Nuklearstreit beizulegen wäre ein politischer Erfolg. Die daraus gewonnene Stärke würde gleichzeitig eine Schwächung seiner angriffslustigen innenpolitischen Kontrahenten bedeuten.

Rohani muss die internationalen Sanktionen "brechen", wie er zu sagen pflegt, um den Wiederaufbau und die Entwicklung der iranischen Wirtschaft möglich zu machen. Mit einem Nukleardeal in der Tasche würde Rohani dem tief verankerten antiwestlichen Diskurs konservativer Kräfte etwas entgegensetzen können. Er könnte beweisen, dass der Westen dem Iran auf Augenhöhe begegnet, sobald dieser einen moderaten Politikansatz wählt.

Daraus jedoch zu folgern, dass ein Scheitern der Gespräche mit einer fatalen Schwächung Rohanis einhergehen würde, wäre zu kurz gegriffen. Ungeachtet des Resultats der Nukleargespräche: Die Darstellung - das "framing" - dieses Resultats wird die halbe Miete für Rohani und Sarif ausmachen.

Hierbei müssen sie zwei Arten von Kritik angehen: eine faktische und eine ideologische Kritik.

Die faktische Kritik befasst sich mit sachlichen Inhalten der Verhandlungen. Die Details, welche die Kapazität des iranischen Nuklearprogramms bestimmen, sind hierbei besonders wichtig.

Die ideologische Kritik zielt eher auf die Verhandlungsführung ab. Irans Hardlinern missfällt der versöhnliche Ansatz Sarifs gegenüber den P5+1-Staaten. Für sie hat dies wenig mit den Idealen des revolutionären Iran zu tun. Rohani und Sarif müssen diese Akteure überzeugen, dass sie die nationalen Interessen des Iran gewahrt haben. Hierbei sind die Beachtung von Sicherheitsinteressen und Fortschritte in der Forschung wichtig. Zudem müssen sie klarstellen, dass sie den Iran als wichtige Regionalmacht dargestellt und vertreten haben.

Dass sie mit innenpolitischem Druck umgehen können, haben Rohani und Sarif bereits gezeigt. Vier Gesichtspunkte sind dabei von Relevanz:

  • Sie finden stets die richtige Balance zwischen der Beantwortung kritischer Fragen und dem Beharren auf der eigenen Linie. Sie lassen sich zu keinem Zeitpunkt von anderen einschüchtern.
  • Wann immer die Kritik an der Regierung stärker wurde, haben sich namhafte politische Schwergewichte und Revolutionsführer Ajatollah Khamenei selbst für Rohani und Sarif eingesetzt.
  • Außenminister Sarif zählt zu den beliebtesten Politikern im Iran. Ihn im Kreuzfeuer der kritischen Fraktionen alleinzulassen wäre für das innenpolitische Klima kostspielig. Dieses Risiko dürfte Revolutionsführer Khamenei nicht eingehen.
  • Ebenjener Revolutionsführer könnte bei einem Scheitern der Gespräche ein persönliches Ziel erreichen: Er könnte allen Seiten beweisen, dass die Schuld all die Jahre nicht an ihm, sondern an den P5+1-Staaten gelegen hat. Schließlich hat er das iranische Verhandlungsteam zu jeder Zeit unterstützt, auch wenn er stets seine Zweifel äußerte.

Khameneis "persönliche Win-win-Situation", wie es der in Teheran lebende Analytiker Mohammad Ali Shabani bezeichnet, nimmt eine Menge Druck von seinen Schultern. Ohne massiven Druck wird Khamenei sich nicht dazu genötigt sehen, innenpolitisch restriktiv vorzugehen und etwa seinen Außenminister zu schassen.

Rohani und Sarif sind zweifelsohne gewillt, eine umfassende Einigung im Nuklearstreit zu erzielen. Da ihre politische Karriere jedoch nicht allein davon abhängen wird, werden sie dafür nicht alles in die Waagschale werfen: Irans Verhandlungspartner sollten sich dieser Nuancen bewusst sein. (Adnan Tabatabai, DER STANDARD, 25.7.2014)