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Knapp ein Jahr nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie steht Mollath erneut vor Gericht.

Foto: dpa / Weigel

"Das Mandat ist beendet." Als Gerhard Strate, der Verteidiger von Gustl Mollath, dies nach der Mittagspause um 14.20 Uhr kurz und knapp im Verhandlungssaal des Regensburger Landgerichts sagt, herrscht für einen Moment atemlose Stille. Das Vertrauen von Mollath in seine Verteidigung fehle. Also will der Hamburger Wiederaufnahmeexperte Knall auf Fall aufhören in diesem spektakulären Prozess gegen den 57-jährigen Automechaniker, der siebeneinhalb Jahre in der Psychiatrie eingesperrt war.

Steht Mollath nun ohne Verteidiger da? Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl reagiert schnell und beantragt, Strate und seinen Kanzleikollegen Johannes Rauwald stattdessen zu Pflichtverteidigern zu bestellen. Nach zehn Verhandlungstagen seien sie in die komplizierte Thematik eingearbeitet. Außerdem sei das Vertrauen zwischen Mandant und Anwalt nicht so gravierend zerstört, dass eine Verteidigung nicht mehr möglich wäre.

Schnell entschieden

Es geht zack, zack: Schon 20 Minuten später entscheidet die Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Elke Escher, dass Strate und Rauwald als Pflichtverteidiger "beigeordnet" werden. Mollath habe schließlich bekundet, dass er nach wie vor Vertrauen habe. Strate sagt: "Wir werden die Verteidigung ohne Abstriche so fortführen, wie wir es für richtig halten."

Was ist da geschehen in diesem Prozess, der noch einmal die Ereignisse aus dem Leben des Gustl Mollath von 2001 bis 2006 aufarbeiten soll? Dazu zählen die angebliche Misshandlung seiner damaligen Ehefrau Petra M. mit Tritten, Schlägen, Bissen und Würgen; dann der Vorfall später, bei dem Mollath seine Frau eineinhalb Stunden eingesperrt haben soll; und schließlich die zerstochenen Autoreifen von einigen Leuten, die der Ehefrau im damaligen Trennungskrieg nahegestanden sind. Mollath wurde vom Landgericht Nürnberg wegen Unzurechnungsfähigkeit zwar freigesprochen, aber als gemeingefährlich und wahnkrank in die Psychiatrie gesteckt.

Hypo-Vereinsbank ist Geschichte

All das, ebenso wie die von Mollath immer wieder thematisierten Schwarzgeldverschiebungen seiner Frau als Kundenberaterin der damaligen Hypo-Vereinsbank in die Schweiz, ist Vergangenheit. Für Mollath aber – und wer kann das nicht nachempfinden? – ist es weiterhin schmerzhafte Gegenwart. Während Mollath den "Bankenskandal" gründlich aufarbeiten will, sieht Strate, dass der Prozess schon jetzt nahezu gewonnen zu sein scheint.

Dafür, dass Mollath wegen der Anwesenheit des psychiatrischen Gutachters Norbert Nedopil im Prozess nichts sagen wollte, redet er ziemlich viel. Die milde und verständnisvoll wirkende Richterin Escher erteilt ihm auch immer das Wort. Auslöser für den Eklat mit dem Anwalt war ein Statement Mollaths direkt vor der Mittagspause. Darin hatte er dem Gericht "fehlenden Aufklärungswillen" vorgeworfen und beklagt, dass nur Zeugen aus dem Umfeld seiner Ex-Frau geladen werden, während der Bankenkomplex außen vor bleibe. Darüber sei er "entsetzt".

Mollath "am Boden zerstört"

Strate sagt, Mollath habe weitere 30 Beweisanträge stellen wollen, und nimmt die Kammer in Schutz: Nach Jahrzehnten als Verteidiger habe er noch kaum ein Gericht gesehen, das so sorgfältig arbeite wie dieses. Er verstehe die "belastende Situation" für seinen Mandanten, es sei "nicht immer ganz einfach, Freund und Feind zu unterscheiden". Näheres will der Verteidiger auf Anfrage nicht mitteilen. Mollath macht nach dem kurzzeitigen Rücktritt, der auf ihn wohl recht brutal gewirkt hat, eine Kehrtwende: Er sei "am Boden zerstört". Strate habe seine Arbeit "gut gemacht". Er fände es "sehr traurig, wenn Herr Strate jetzt hinschmeißt", über seine Wünsche hätte man ja diskutieren können.

Dass Strate sein wesentliches Ziel schon jetzt als erreicht sieht, zeigt eine Äußerung der vergangenen Woche. Da sagte er, er könne jetzt schon plädieren, man sei "auf der Siegerstraße". Allerdings meinte er auch, dass immer etwas "hängen bleibt". Tatsächlich hätte es bisher kaum besser laufen können für Gustl Mollath. Zwar berichteten einige Zeugen aus seinem damaligen Umfeld von mutmaßlicher Gewalt und erzählten von der Angst, die sie vor Mollath gehabt hätten. Substanziell kann aber nichts bewiesen werden: Das ärztliche Attest, das sich Petra M. damals hatte ausstellen lassen, ist nach Ansicht eines Sachverständigen sehr fehlerhaft und praktisch unbrauchbar.

Attest auf Aussagen basierend

Eine andere Ärztin hatte Mollath als wahrscheinlich psychisch krank beurteilt – ohne ihn je gesehen zu haben und mit vollem Vertrauen in die Aussagen der Ehefrau. Und dass die Reifenstechereien nicht wie im Urteil von 2006 von Mollath verursacht worden sein und so stattgefunden haben mussten, sagte ein Kfz-Sachverständiger Donnerstagvormittag. Gibt es aber keine Beweise für die angeklagten Taten, dann erübrigt sich auch eine erneute psychiatrische Begutachtung Mollaths.

Welche Geldverschiebereien allerdings vor mehr als zehn Jahren zwischen Nürnberg und Zürich stattgefunden haben, wird auch das Landgericht Regensburg nicht aufklären. Einer aber will genau das weiterhin wissen: Gustl Mollath. (Patrick Guyton aus Regensburg, DER STANDARD, 25.7.2014)