Bild nicht mehr verfügbar.

Grad-Stellung der ukrainischen Armee in Siwersk, hundert Kilometer nördlich von Donezk, 12. Juli 2014.

Foto: AP/Evgeniy Maloletka

Ein zerstörtes Haus im Nordwesten von Donezk.

Kiew - Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat ukrainischen Truppen und Milizen vorgeworfen, bei Raketenangriffen auf bewohnte Gebiete im Osten des Landes mindestens 16 Zivilisten getötet zu haben.

Die mindestens vier Angriffe seien zwischen dem 12. und 21. Juli im Gebiet der Großstadt Donezk erfolgt, erklärte die Organisation am Donnerstag.

Dabei seien Mehrfachraketenwerfer vom Typ Grad, die ungelenkte Geschoße verschießen, gegen Wohngebiete eingesetzt worden. Das verstoße gegen internationales humanitäres Recht und könne als Kriegsverbrechen geahndet werden.

Irreguläre Truppen

Dokumentiert wurden Angriffe regierungstreuer Truppen auf die Umgebung das Bahnhofs von Donezk. Wegen widersprüchlicher Angaben der ukrainischen Behörden sei es nicht möglich gewesen festzustellen, ob reguläre Truppen oder Kiew-treue Freiwilligeneinheiten für den Beschuss verantwortlich waren, schreibt Human Rights Watch.

Ein Journalist berichtete der Menschenrechtsorganisation, er habe in dem Dorf Nowomichailiwka, aus dem die Donezker Vorstadt Maryinka beschossen wurde, regierungstreue Kämpfer in Uniformen gesehen, die nicht von der ukrainischen Armee stammten. Diese hätten sich gebrüstet, über einen Grad-Raketenwerfer zu verfügen, mit dem sie Rebellenstellungen beschossen hätten. Bei dem Angriff am 12. Juli kamen sechs Zivilsten ums Leben.

Kinderspielplatz getroffen

Am 19. Juli schlugen mehrere Raketen im Donezker Stadtteil Kuibyschiwski ein. Ein Geschoß traf den Kinderspielplatz der Schule Nummer 71, mehrere andere beschädigten Wohngebäude. Auch hier waren laut Human Rights Watch Regierungstruppen verantwortlich: Die Einschlagkrater deuten darauf hin, dass die Raketen aus westlicher Richtung kamen.

Auch die bewaffneten Gegner der ukrainischen Regierung setzen HRW zufolge Grad-Raketen ein. Die Organisation rief die Konfliktparteien auf, sofort auf den Einsatz dieser Waffen in bewohnten Gebieten zu verzichten. Die Wahrscheinlichkeit, Zivilisten zu töten und zu verletzen, sei hoch.

US-Anschuldigungen gegen Russland

Unterdessen erhebt die US-Regierung schwere Vorwürfe gegen Moskau: Nach eigenen Angaben verfügt Washington über Beweise dafür, dass russische Truppen von russischem Territorium aus ukrainische Armeestellungen mit Artillerie beschießen.

Moskau plane zudem, weitere Raketenwerfer an die Separatistenzu liefern, sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, am Donnerstag. Sie berief sich auf "Geheimdienstinformationen". Nähere Details nannte sie nicht.

Der Beschuss habe sich in dieser Woche ereignet, sagte zudem ein US-Vertreter am Donnerstag. Die USA erfuhren demnach möglicherweise durch Spionagesatelliten oder Abhöranlagen von dem Vorfall. Es gebe keine Hinweise, dass dabei Zivilisten verletzt worden seien, sagte der Insider, der anonym bleiben wollte.

Kiew rudert zurück

Die ukrainische Regierung hat Moskau wiederholt unterstellt, die Rebellen militärisch zu unterstützen und deren Vorgehen zu koordinieren. Am Mittwoch warf Kiew dem Kreml zuerst vor, dass zwei ukrainische Kampfflugzeuge von russischem Territorium aus abgeschossen worden seien. Wenig später ruderte die Regierung zurück: Man "beschuldige niemanden", sondern betrachte nur "mögliche Versionen", sagte ein Sprecher das Nationalen Sicherheitsrats der Nachrichtenagentur Reuters. Russland bestreitet Waffenlieferungen an die Rebellen.

Durch die Ukraine-Krise sind nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile rund 230.000 Menschen zu Flüchtlingen geworden. Rund 130.000 Ukrainer seien vor den Kämpfen nach Russland geflohen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) am Freitag in Genf mit. Fast 100.000 weitere Menschen hätten ihr Zuhause verlassen und seien nun Binnenflüchtlinge, also Vertriebene im eigenen Land.
(red, APA, 25.7.2014)