Die polnische Wirtschaft wird von Ökonomen und Investoren positiv gesehen. Rege Investitionstätigkeit und ein starker Binnenkonsum haben das Land vor der Rezession bewahrt

Grafik: DER STANDARD Quelle: MSCI, vwd
Grafik: DER STANDARD Quelle: MSCI, vwd

Wien - Heimische Banker wissen ein trauriges Lied zu singen über ihre Abenteuer im Osten und weiter südlich, die manche in extreme Schieflage brachten. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass es den CEE-Ländern bald besser gehen könnte. Der Chef der Erste Group, Andreas Treichl, träumte erst kürzlich von der Zukunft in gewohnt markigen Worten: "Es wird eine Zeit geben, wo sich die Aktionäre freuen, dass wir in Rumänien und Ungarn sind."

Ganz ohne Fundament ist Treichls Meinung dabei nicht: Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und der Aussichten der Länder in Mittel- und Osteuropa für 2014 hat sich gegenüber der Umfrage 2013 insgesamt etwas verbessert, berichten die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) in einer Konjunkturumfrage. Es zeige sich in der Einschätzung der Wirtschaftssituation der Region ein gewisses Nord-Süd-Gefälle: Die baltischen Staaten, Polen und Tschechien rangieren meist vorn, während in den Ländern des westlichen Balkans eher pessimistische Stimmen überwiegen. Ungarn, die Slowakei und Rumänien liegen meist im Mittelfeld. Die verbesserte Wirtschaftslage spiegelt sich auch in steigenden Beschäftigungs- und Investitionsabsichten, meinen die AHKs.

Polen "konkurriert erfolgreich"

Besonders Polen hat es etwa Fondsmanager und Franklin-Templeton-Ikone Mark Mobius angetan: "Das Land kann mit einem großen Verbraucher-Binnenmarkt und einer starken Arbeitnehmerschaft rechnen, sodass die globale Finanzkrise unbeschadet überstanden wurde." Die Nähe zu Deutschland erweise sich heute als Vorteil, denn der westliche Nachbar ist zugleich Hauptimporteur und bedeutendster Handelspartner Polens, auf den über 25 Prozent der polnischen Exporte und Importe entfallen. "Mit seinen gut ausgebildeten Arbeitskräften kann Polen heute beim Outsourcing von Dienstleistungen mit Ländern wie Indien erfolgreich konkurrieren", ist Mobius überzeugt.

Die positive Entwicklung ging auch an der Börse nicht vorüber: Während der letzten fünf Jahre stieg der polnische Aktienindex PTX von 610 auf mehr als 1300 Indexpunkte. Mobius managt den Fonds Templeton Eastern Europe, der die russischen Unternehmen Sberbank und Gasprom, aber auch die kasachische Nostrum Oil & Gas, den polnischen Schuhhändler CCC (auch in Österreich aktiv) sowie den türkischen Molkereikonzern Pinar Sut Mamulleri Sanayii zu seinen Top-Holdings zählt. Der Fonds legte seit März um 20 Prozent zu.

Auch Erdinç Benli von Swiss & Global AM hält osteuropäische Schwellenländer wie zum Beispiel Rumänien für Anleger interessant: "Viele Investoren unterschätzen die Möglichkeiten auf dem osteuropäischen Markt, immer mehr Anleger tendieren eher zu anderen Regionen. Dabei sind die europäischen Schwellenländer deutlich günstiger", so Benli. Der Abschlag im Vergleich zu anderen Emerging Markets liege bei bis zu 50 Prozent.

Besonders Russland, das zuletzt aus den Negativschlagzeilen nicht herauskam, lockt wieder Anleger. "Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von fünf als auch ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,7 sind klare Anzeichen für einen unterbewerteten Markt. Auch wenn es viele Anleger nicht mehr hören können: Der russische Markt ist so günstig wie selten in den letzten 15 Jahren", ist Erdinç Benli überzeugt. "Dabei zahlen russische Unternehmen im Gegensatz zu früher gute Dividenden - durchschnittlich sogar rund fünf Prozent." Der von ihm gemanagte Fonds, der JB EF Eastern Europe Focus, hat seit März rund 30 Prozent zugelegt. Er setzt vor allem auf Aktien der russischen Unternehmen Magnit, Gasprom, Lukoil und Sberbank.

Renditerückstand

Sogar in der Türkei scheint nach dem Währungsabsturz wieder die Börsen-Sonne: "Die Rally in der Türkei wurde unter anderem durch den erheblichen Anstieg der Konsumentenstimmung nach den Kommunalwahlen angetrieben", sagt Benli.

Aufzuholen gibt es in Osteuropa jedenfalls viel: Ein Blick auf die Regionen-Indizes von MSCI zeigt, dass die osteuropäischen Märkte auf Sicht der vergangenen zehn Jahre hinterherhinken. Der MSCI Eastern Europe legte in den vergangenen zehn Jahren nur um 47 Prozent zu, der MSCI Emerging Markets hingegen 118 Prozent. (Reinhard Krémer, DER STANDARD, 25.7.2014)