Wien - Für Martin Winkler war die Erkenntnis "ein Schock": Bei "einer der wesentlichen Fragen der Staatsführung" tappten Politiker wie Bürger im Dunkeln, sagt der Präsident des Vereins respekt.net und meint damit die Steuerdebatte. Mangels Daten, so sein Befund, "wissen wir eigentlich nicht, worüber wir reden".

Respekt.net bemüht sich seit geraumer Zeit, zum Durchblick beizutragen. Unlängst schickte der Verein die Webseite www.steuernzahlen.at online, die Bürger anonym mit Daten zu Einkommen, Vermögen und Konsum füttern können, um dann ihre gesamte Steuerleistung ausgewiesen zu bekommen. 1650 Menschen haben die detaillierten Formulare bisher zur Gänze ausgefüllt.

Mangelnde Ernsthaftigkeit

Eigentlich aber sollte das Finanzministerium selbst umfassende Datensammlungen parat haben, findet Winkler, damit bewertbar sei, wie die gesamte Abgabenlast zwischen und in den einzelnen Erwerbsgruppen verteilt ist. Solide Zahlen bietet derzeit gerade einmal die Lohn- und Einkommenssteuerstatistik für die Unselbstständigen und Selbstständigen, viele andere Bereiche sind statistische Wüste. Es sei kurios, dass sich das politische Personal offenbar nicht für diese Informationen interessiere, sagt der Aktivist: "Da gibt es mangelnde Ernsthaftigkeit."

Am guten Willen allein liegt es allerdings nicht. Dass etwa die Kapitalertragssteuer in anonymisierter Form an den Fiskus fließt, ist Konsequenz des Bankgeheimnisses. Und um die Verteilung indirekter Steuern erfassen zu können, müsste man wissen, wer was und wie viel konsumiert - das bedürfte aufwendiger Erhebungen.

Winkler hofft, dass die Onlineplattform irgendwann ein Gesamtbild bietet. Um einen repräsentativen Datensatz aufzubauen, knüpft respekt.net Kontakt mit Kammern, Bauernvertretern und Organisationen wie der Caritas, um sich potenzielle Teilnehmer vermitteln zu lassen: Man wolle ja nicht nur Freiberufler aus dem städtischen Raum - die bisher fleißigste Usergruppe - erreichen.

(Gerald John, DER STANDARD, 28.7.2014)