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Die Rekordsprünge von Markus Rehm scheiden die Geister.

Foto: EPA/GERRY PENNY

Ich lasse mich nicht behindern." Markus Rehm (25), der deutsche Meister im Weitsprung, hat sich sein Lebensmotto im Herbst 2003 zugelegt - als Teenager, wenige Wochen nachdem ihn ein Unfall den rechten Unterschenkel, aber nicht die Zuversicht gekostet hatte, wieder Sport auf sehr hohem Niveau betreiben zu können.

Rehm war auch wegen seines Vaters, der ein Motorboot besitzt, ein begeisterter Wakeboarder, ließ sich also auf einem Brett wie ein Wasserskifahrer ziehen, um, die Bugwelle des Bootes als Absprungrampe nützend, allerhand Figuren zu zeigen. Am 10. August 2003 misslang dem Burschen aus Göppingen auf dem Main ein Sprung. Er musste die Zugleine loslassen, wurde von einem folgenden Motorboot überfahren und geriet in die Schiffsschraube. In der Uniklinik Würzburg wurde drei Tage später sein rechtes Bein auch infolge einer Blutvergiftung unterhalb des Knies amputiert.

Schon im nächsten Sommer stand Rehm wieder auf dem Wakeboard - mit einer wasserfesten Prothese. Er kräftigte seine Muskulatur auf dem Trampolin, wurde deutscher Jugendvizemeister. Die Athletik des Burschen fiel auf. Rehm ließ sich 2008 für die Leichtathletik, den Weitsprung, gewinnen. Er bekam eine der rund 2500 Euro teuren Prothesenfedern, die den beidseitig amputierten Südafrikaner Oscar Pistorius von Sieg zu Sieg trugen. Rehm sprang als erster Amputierter mehr als sieben Meter weit.

Sein Material optimiert er selbst. Rehm, der ursprünglich einen elektrotechnischen Beruf ergreifen wollte, ließ sich in jenem Sanitätshaus, das seine erste Prothese hergestellt hatte, zum Orthopädiemechaniker und Bandagisten ausbilden. 2012 absolvierte er nicht nur seine berufliche Meisterprüfung. Rehm sprang in London mit 7,14 Metern zu paralympischem Gold. Mit der deutschen Sprintstaffel holte er Bronze, Gold ging an Südafrika mit Schlussläufer Pistorius, der davor, bei den Olympischen Spielen, erfolglos geblieben war.

Im Fall Rehm ist es dagegen denkbar, dass er Medaillen gegen Sportler ohne Handicap gewinnen kann. Seine bei den Meisterschaften erzielten 8,24 Meter sind nicht nur ein paralympischer Weltrekord, sondern auch die zehntbeste in dieser Saison erzielte Weite überhaupt. Durchaus berechtigte Bedenken, seine Hightechprothese könnte von Vorteil sein, drohen einen EM-Start zu verhindern. Rehm sieht das gelassen. Denn einer wie er lässt sich nicht behindern. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 28.7.2014)