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Mercedes-Manager Hubertus Troska will den deutschen Konkurrenten in China mit der Marke mit dem Stern davonfahren.

Foto: Reuters/Lee

Ein Jahr nach der Zusammenlegung seines ineffizienten Händlernetzes, über das Mercedes-Importwagen und in China hergestellte Modelle getrennt verkauft wurden, zog Daimler-China-Chef Hubertus Troska auf einer Pressekonferenz in Peking das positive Fazit: "Es hat sich gelohnt, eine einheitliche Organisation zu schaffen. Die Resultate sind viel besser, als wir erwartet hatten."

Seit Jahren waren Audi und BMW der Stuttgarter Nobelmarke in China mit doppelt und dreifach so schnellem Wachstum davongebraust. Seit Anfang 2014 scheinen die Betriebsreformen und eine neue Daimler-Modelloffensive zu greifen. Im ersten Halbjahr 2014 legte die Marke Mercedes-Benz mit mehr als 130.000 verkauften Fahrzeugen um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahreshalbjahr zu.

Ziel 2015: Absatz von 300.000 Wagen

Der Abstand zu Audi, die bis Juni 2014 mit 18 Prozent Zuwachs auf 268.666 verkaufte Fahrzeuge kamen, und zu BMW, die um 23 Prozent auf 225.035 Wagen zulegten, bleibt zwar noch immer hoch. Aber die Marke mit dem Stern konnte erstmals überdurchschnittlich über dem Markt und schneller als ihre beiden Konkurrenten wachsen. 2015 sollen Troska zufolge mehr als 300.000 Wagen verkauft werden.

Von einer Trendwende spricht auch die autoritative Wochenzeitschrift "China Automotive News" und titelte in ihrer jüngsten Ausgabe: "Mercedes konzentriert alle Kräfte. Sie wollen nicht mehr 'Dritter auf 1000 Jahre' genannt werden." Die Zeitschrift hat die Stuttgarter erstmals in ihre Auswahl von fünf Autokonzernen aufgenommen, die in der unter Abwärtsdruck stehenden Autobranche im ersten Halbjahr 2014 am besten punkten konnten.

Von Jänner bis Juni stiegen Pkw-Verkäufe in China nur noch einstellig um 8,4 Prozent auf 11,68 Millionen Fahrzeuge, meldete der Automobilherstellerverband (CAAM). Marktführer waren die drei deutschen Hersteller mit 2,06 Millionen verkauften Wagen (21,4 Prozent), gefolgt von den wieder zulegenden Japanern mit 15,3 Prozent und den US-Herstellern mit 12,7 Prozent. Verlierer wurden die rein chinesischen Autobauer, die es zusammen nur noch auf einen Marktanteil von 37,7 Prozent brachten (minus 3,5 Prozent).

"Noch nicht da gewesene" Modellpolitik

Neben der Reform des Händlernetzes nannte "Automative News" als Grund für das gute Abschneiden von Mercedes eine "noch nicht da gewesene" Modellpolitik. Ab dem zweiten Halbjahr 2014 werde der Konzern seine verlängerte neue C-Klasse und danach seinen GLA-Geländewagen, beide made in China, in den Markt bringen.

Hinzu komme eine kundenfreundliche Reduzierung der Wartungskosten in den Vertragswerkstätten. "Gerade erst" sei für einige Wagentypen gar eine Halbierung der Kosten angeordnet worden. Die Zeitschrift schrieb nicht, dass Mercedes damit offenbar Vorwürfe entkräften will, Monopolpreise zu verlangen. Die staatlichen Wirtschaftsplaner führen derzeit "Gespräche" mit dem Konzern über Fragen seiner Preispolitik. Troska verweigerte Auskunft, worum es im Einzelnen geht.

Bald wichtiger als US-Markt

China ist für Daimler nicht nur sein derzeit zweitgrößter Auslandsmarkt und Produktionsstandort, in den es mit seinem Pekinger Joint-Venture-Partner bis 2015 vier Milliarden Euro investieren lässt. Von 2015 an soll China gar für die Stuttgarter wichtiger als der US-Markt werden. Das seit elf Jahren bestehende Pkw-Gemeinschaftsunternehmen Beijing Benz Automotive (BBAC) sei "auf dem Weg, zukünftig zum größten weltweiten Mercedes-Benz-Autowerk" zu werden, sagte Troska.

Neben der Pkw-Herstellung in der C-und E-Klasse, den Geländewagen und der vorbereiteten neuen Langversion der C-Klasse hat Daimler auf dem 4,5 Millionen Quadratmeter großen Pekinger Werkgelände auch seine erste ausländische Motorenfabrik erbaut.

Am Freitag zeigte der Konzern Pekinger Journalisten seine noch im Aufbau befindlichen Forschungs- und Entwicklungszentren (F&E) und die angeschlossene 3,7-Kilometer-Pkw-Teststrecke. Die R&D-Anlagen sind die größten außerhalb Deutschlands. 700 Ingenieure sollen dort arbeiten, von denen 250 schon vor Ort sind.

Verstärkung des lokalen Fußabdrucks

Das BBAC-Joint-Venture hat 760 Millionen Renminbi (91 Millionen Euro) in Ausrüstungen und Labors nach deutschen Qualitätsstandards investiert. 2015 werden die Anlagen von China abgenommen und zertifiziert. Mit ihnen soll die Serienreife der im Werk neu hergestellten Mercedes-Benz-Modelle und Komponenten chinesischer Zulieferungen geprüft und garantiert werden. Zur "Reifegraderprobung" können in den Labors und Testanlagen Klimabedingungen mit Temperaturen zwischen minus 40 Grad und plus 70 Grad simuliert werden. "Wir meinen es ernst mit der Lokalisierung unserer Produktion", sagte Troska. "Wir wollen künftig auf einen Mix von zwei Dritteln verkaufter Fahrzeuge aus lokaler Produktion und einem Drittel aus Importen kommen."

Mercedes baut noch ein weiteres Zentrum für Zukunfts- und Modellforschung auf. Es wird aus Urheberrechtsgründen in Eigenregie und nicht als Joint Venture geführt. Daimler will dort die Designarbeit integrieren und löst daher sein Designinstitut in Tokio auf. "Die Entwicklungsfreigabe bleibt in Stuttgart", betont Troska. Aber viele Aufgabenbereiche sollen an das chinesische Zentrum delegiert werden können. (Johnny Erling, DER STANDARD, 28.7.2014)