Mittels einer Fotomontage erschuf Wallen sein Alter Ego "Aaron Brown".

Curtis Wallen

Im Darknet erwarb er gefälschte Ausweise.

Curtis Wallen

Ständig werden wir im Netz überwacht: Durch Geheimdienste, große IT-Konzerne selbst oder unzählige Firmen, die sich auf Zielgruppenanalysen für Werbezwecke spezialisiert haben. Gibt es eine Möglichkeit, der Ausspähung zu entkommen? Diese Frage stellte sich der Künstler Curtis Wallen und versuchte, eine komplett frei erfundene Online-Identität zu etablieren. Jetzt hat er im US-Magazin "The Atlantic" seine Erlebnisse veröffentlicht.

1. Neuen Rechner besorgen

Zuerst brauchte Wallen einen Rechner, der nicht mit seinen eigenen Nutzerdaten verbunden war. Deshalb nutzte er den Anonymisierungsservice Tor, um inkognito im Netz nach gebrauchten Laptops zu suchen. Er arrangierte den Kauf eines alten Chromebooks, das er am nächsten Tag erwarb. Dazu war es nötig, sich persönlich mit dem Verkäufer zu treffen - ein Sicherheitsrisiko, sollte man doch möglichst wenige persönliche Verbindungen zu seiner neuen Identität aufweisen.

2. Linux und Tor

Kaum war der neue Laptop in Wallens Besitz, installierte er eine Linux-Partition, von der aus er alle Anwendungen durchführte - Chrome OS und Chrome erachtete er aufgrund ihrer Google-Herkunft als nicht vertrauenswürdig. Ins Internet stieg Wallen nur über Tor ein, auf den Login bei Facebook oder anderen identifizierenden Anwendungen verzichtete er. "Meine Beziehung zum Internet hat sich dadurch fundamental verändert“, schreibt der Künstler, "ich konnte das Netz nicht mehr so nutzen, wie man es heutzutage normal nutzt.“

3. Gefälschte Ausweise aus dem Darknet

Er erhoffte, mit der Erstellung einer komplett neuen Identität noch weiter zu kommen. Als Ausgangsbasis suchte er sich den Namen Aaron Brown aus. Dessen Aussehen erfand Wallen, indem er fünf aus demselben Winkel aufgenommene Passfotos seiner Freunde aufeinanderlegte und bestimmte optische Details von jedem vermischte. Anschließend erwarb Wallen Bitcoins, mit denen er auf einem Umschlagplatz im Darknet gefälschte Ausweise und andere Dokumente für Aaron Brown besorgte.

4. Als Proxy bereitstellen

Der letzte Schritt: Wallen öffnete seine Verbindung als Proxy, sodass jeder „mithelfen“ konnte, Aarons Spuren im Internet zu vermischen. Dasselbe ließ Wallen beim Twitter-Account seines Alter Ego gewähren, der allerdings von spanischen Aktivisten übernommen und geblockt wurde.

Fazit: Mühsam

Was hat es gebracht? Laut Wallen zeigt sein Experiment, wie schwierig es ist, Überwachung zu entkommen. Er möchte damit auch thematisieren, wie sehr die Nutzung unserer Daten schon unser Leben beeinflusst: sei es durch manipulierte Facebook-Timelines oder maßgeschneiderte Werbeanzeigen. (fsc, derStandard.at, 28.7.2014)