Hermann J. Painitz: "Auf drei Bildtafeln eingeengte Demonstration des Fortlaufenden."

Foto: Christoph Fuchs

St. Pölten - Als Hermann J. Painitz eine gewisse Hannelore porträtierte, betrachtete er sie mit den Augen einer Maschine. Porträt Hannelore 3 besteht aus sieben mal 24 Kreisen, die zusätzlich mit verschiedenen Symbolen versehen sind: Für jede Stunde einer Woche des Mai 1971 verewigte Painitz, ob Hannelore wach war, ob sie schlief, badete, Körperpflege betrieb, sich schminkte oder naschte.

Als Painitz sein an ein Spielbrett erinnerndes "statistisches Porträt" anfertigte, war von Big-Data-Mining noch keine Rede. Dennoch entfaltet seine absurd-entmenschlichende Darstellung auch und gerade heute medienkritisches Potenzial: Wie viel von dem, was einen Menschen ausmacht, ist tatsächlich über Klickverhalten oder Schlüsselwörter in Statusmeldungen zu erfahren?

Statistische Porträts machen nur einen Teil des OEuvre von Hermann J. Painitz aus, dem derzeit eine Retrospektive im Landesmuseum Niederösterreich gewidmet ist. Der objektivierende Blick spielte für den 1938 in Wien geborenen Künstler allerdings von Anfang an eine entscheidende Rolle. Painitz verfolgte einen streng analytischen Ansatz, der ihn in der Kunstszene der frühen 1960er zum Außenseiter machte. Der Phantastische Realismus war ihm zuwider, den abstrakten Expressionismus der Gruppe St. Stephan bezeichnete er als Schmiererei.

Ein Credo von Painitz lautete: "Die völlige und unzerstörbare Ordnung ist die Bedingung des Lebens, war es immer und wird es immer sein." Darauf aufbauend wurden konzentrische Kreise oder Zielscheibendiagramme zu seinen zentralen Gestaltungsmitteln.

Der Einzelgänger Painitz befasste sich mit der Informationstheorie Claude Shannons, die sich mit der Struktur von Nachrichten befasst, vor allem von maschinell übertragenen. Ausgehend von den Schriften Abraham Moles' oder Max Benses beruhen viele seiner Arbeiten auf Reihen, Rhythmen, Serien, Sequenzen.

Der Künstler erkundete systematisch das Spannungsfeld zwischen Ordnung und Rauschen in einer Welt diskreter Zeichen. Alphabete sind dabei ein wiederkehrendes Thema. Eine Zeile von Jonathan Swift wurde in verschiedene Zeichensysteme übersetzt, wobei die Grenzen der Verständlichkeit ausgelotet werden, wenn etwa für 21 Buchstaben dasselbe Symbol eingesetzt wird. Jonathan Swift sei ein Ergebnis "des Unbehagens, das aus dem Zwang kommt, Sprache und Schrift für jedermann gleich und somit einfach und sicher zu machen", erklärte Painitz.

Planierung der Alpen

Die abgerundeten Rechtecke seiner frühen seriellen Arbeiten schnitt er aus farbigen Papieren aus, um die Etablierung einer persönlichen Handschrift zu vermeiden. Sie wurden gemäß exakter Berechnungen auf Bildtafeln collagiert. Im Landesmuseum kann man die Übersetzung logischer Kalkulationen in ästhetische Wirkung am eigenen Leib überprüfen. Den Mustern, die bisweilen wie Textildesigns wirken, sind jeweils die ihnen zugrundeliegenden Rezepte beigegeben.

Hinter der Nüchternheit von Painitz' Arbeiten verbirgt sich immer eine gehörige Portion Humor. Aberwitzig sind seine Pläne zur "Planierung der Alpen" und zur "Betonierung Europas", die der Künstler in einem Manifest zur "Abschaffung der Natur" propagierte und mit übermalten Landkarten und Querschnitten illustrierte. Die Fixierung auf das Naturschöne erklärt er darin für pathologisch, sprach sich gegen die Landschaft aus und wollte damit einer Zukunft zuvorkommen, die, wie er meinte, der "totalen Künstlichkeit" gehören würde. (Roman Gerold, DER STANDARD, 29.7.2014)