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Die als "Geierfonds" bezeichneten Hedgefonds pochen auf die vollständige Zahlung ihrer argentinischen Anleihen. Das Land ist aber nach den Umschuldungen in einem Dilemma.

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Buenos Aires / Wien - Getreu dem Motto "Wer bremst, verliert" steuern die Regierung in Argentinien und Hedgefonds rund um NML Capital auf eine Kollision zu. Am 30. Juli läuft die Deadline für das lateinamerikanische Land ab, um die Zinsen auf seine Schulden zu zahlen und damit eine erneute Staatspleite nach 2002 zu verhindern. Es wäre die insgesamt achte Pleite seiner Geschichte. Doch dafür muss sich Argentiniens Regierung mit jenen Gläubigern einigen, die wie NML Capital 2005 und 2010 nicht mitgemacht haben, als das Land sich mit milliardenschweren Umschuldungen sanieren wollte. Als "Holdouts", Verweigerer, werden diese Gläubiger bezeichnet, die vom Milliardär Paul Singer angeführt werden, der hinter NML steht.

Die Situation ist rechtlich vertrackt. Vom bevorstehenden "GrieFault" ist auf Twitter die Rede. Denn der Default, die Pleite Argentiniens, wäre vor allem die Folge eines Urteils des Richters Thomas Griesa in New York. Er hat dem Land untersagt, jene Gläubiger zu bezahlen, die bei der Umschuldung ihre Anleihen zu einem Abschlag gegen neue Papiere getauscht haben. Dabei liegt das Geld für die Zinszahlungen längst bei der Bank of New York Mellon, aufgrund von Griesas Urteil darf sie aber die Mittel nicht an die Gläubiger überweisen.

Verweigerer bezahlen

Der Richter hat in seinem Urteil festgestellt, dass das Land für den Fall, dass es die in der Vergangenheit entgegenkommenden Gläubiger bezahlen will, auch die Verweigerer bezahlen muss. Das ist gar nicht so einfach. "Argentinien ist logischerweise sehr zurückhaltend, denn ein Deal könnte sehr kostspielig werden", sagt Gustavo Canonero, Chefvolkswirt für Schwellenländer bei der Deutschen Bank in New York.

Der Grund dafür sind Klauseln in den Verträgen der neuen Anleihen. Diese Rufo (Rights Upon Future Offers) legen fest, dass Argentinien nicht einfach den Verweigerern ein besseres Angebot machen kann. In diesem Fall muss es auch den Investoren, die 2005 oder 2010 einer Umschuldung zustimmten, das gleiche Offert machen. Das könnte aber anstatt von 15 Milliarden Dollar, die die Verweigerer bekommen könnten, ein Vielfaches ausmachen. Das Dilemma für Argentinien: Bleibt die Regierung stur, droht die Pleite, gibt das Land nach, drohen Milliardenklagen. Die Fonds argumentieren, dass sich Argentinien darum nicht sorgen müsste. Denn die Klausel gelte nur für "freiwillige" Angebote, das Gerichtsurteil binde aber das Land.

Ökonomen warnen vor Folgen

Argentinien hat jedenfalls am Montag ein Verhandlungsteam nach New York geschickt. Man arbeite daran, eine Vertagung und damit einen Aufschub zu erwirken, betonte der argentinische Kabinettschef Jorge Capitanich. Tatsächlich könnte ein Aufschub auch für die Hedgefonds Sinn machen. Denn die Rufo-Klauseln gelten nur bis zum Jahresende. Eine Einigung 2015 könnte also das bestehende Dilemma für Argentinien lösen und eine Auszahlung für NML und Co erleichtern.

Der Richter selbst hat bisherige Anträge für mehr Zeit abgewiesen. Er gab aber vergangene Woche bei einer Verhandlung zu: "We are in the soup." In der Klemme ist Argentinien aber nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich. "Wenn es wirklich zu einer erneuten Pleite kommen sollte, würde das die ohnehin existenten Probleme des Landes massiv vergrößern", warnt Ökonom Canonero. Das Land hat bereits zu Jahresbeginn seine Währung abgewertet, um knapp zwölf Prozent. "Der Druck auf die Währung und damit eine noch höhere Inflationsrate könnten die Folge einer Pleite sein", warnt Canonero im Gespräch mit dem STANDARD. Dieses Jahr dürfte die Inflation knapp 35 Prozent ausmachen. Daher habe die Regierung viel zu verlieren: "Es ist schwer zu glauben, dass die Regierung so viel zerstören könnte, nur um die Verweigerer zu bestrafen."

Die Folgen einer Pleite für die Weltwirtschaft werden von Ökonomen aber als gering eingeschätzt. Ein Grund ist, dass Argentinien bereits seit Jahren von internationalen Kapitalmärkten abgeschnitten ist, eine neuerliche Pleite würde daran wenig ändern. Seit 2002 ist das Volumen der internationalen Bonds zudem um mehr als die Hälfte gesunken. (sulu, DER STANDARD, 29.7.2014)