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"Nein zur Schuldenzahlung" steht auf einem Graffito in Buenos Aires. Argentinien ringt mit den Verweigerern seines vergangenen Schuldenschnitts vor einem New Yorker Gericht um Milliarden.

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Federico Foders: Es braucht ein Insolvenzrecht für internationale Anleihen.

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Buenos Aires/Wien - Im Angesicht der drohenden Staatspleite spielt die argentinische Regierung auf stur. Direkte Verhandlungen mit den als "Geierfonds" geschmähten Investoren der vor vielen Jahren ausgefallenen Anleihen soll es nicht geben, betonte der Mediator Daniel Pollack. Das Land liefert sich in den USA einen erbitterten Rechtsstreit über die Auszahlung von Anleihen. Bis heute, dem 30. Juli, hat das Land Zeit, um Bonds zu bedienen, ehe es technisch in die Pleite schlittert.

Kurz vor Ablauf der Frist hatte Argentinien eine erste Tranche zur Begleichung seiner Schulden bei einer anderen Gläubigergruppe 642 Millionen Dollar überwiesen. Damit signalisiert das Land Zahlungsbereitschaft. Doch ein Gerichtsurteil untersagt dem Land die Auszahlung von Geldern an Anleihengläubiger, solange nicht die "Geierfonds" bezahlt werden. Wie eine Pleite auf die argentinische Wirtschaft wirken würde und welche Schwierigkeiten das Land hat, hat DER STANDARD den Ökonomen Federico Foders gefragt.

STANDARD: Argentinien steht nach zwölf Jahren wieder am Abgrund, die Pleite droht. Welche Folgen hätte diese?

Foders: Die argentinische Wirtschaft ist bereits in einem sehr schlechten Zustand. Es gibt eine Rezession, hohe Arbeitslosigkeit und eine hohe Inflation von bis zu 40 Prozent. Der Handelsbilanzüberschuss wird sich bald in ein Defizit verwandeln. Dabei sind die Exporte, etwa von Soja, die einzigen Devisenbringer. Wo Sie hinschauen, ist die Wirtschaft nicht mehr dynamisch. Wenn es zu einer Pleite kommt, werden weniger Investoren dem Land Geld leihen und die Situation von Abwertung und hoher Inflation wird sich verschlimmern.

STANDARD: Das Land leidet an einem Dollarengpass und musste dieses Jahr die Währung abwerten. Könnte das noch einmal passieren?

Foders: Ja. In der Vergangenheit hat das Land den Aufschwung genutzt, um Sozialausgaben und Subventionen zu erhöhen, und gleichzeitig die Geldpolitik locker gelassen. Damit schürte man den Inflationsdruck. Wenn eine Volkswirtschaft eine Inflationsrate von 35 bis 40 Prozent hat, und das Ausland, etwa die USA mit der für Argentinien zweitwichtigsten Währung, dem US-Dollar, nur eine Inflation von zwei Prozent, dann müsste das Land jedes Jahr in Höhe von 38 Prozent abwerten. Eine Volkswirtschaft, die nicht in dem Ausmaß abwertet, hat eine überbewertete Währung. Und die führt zu einer sehr hohen Importnachfrage. Daher hat die Regierung Import- und Devisenkontrollen eingeführt. Die Preise für viele Güter werden kontrolliert. Das sind alles Maßnahmen, die dazu führen, dass es Schwarzmärkte für Produkte wie Milch oder Brot gibt.

STANDARD: Die Regierung sagt aber, dass die Inflation deutlich niedriger als 40 Prozent ist.

Foders: Das Problem ist, dass die argentinischen Statistiken seit Jänner 2007 manipuliert wurden. Daher muss man sich auf unabhängige Wirtschaftswissenschafter verlassen. Die Schätzungen, die wir heute haben, beruhen etwa auf den Lohnerhöhungen. Dabei zeigt sich, dass die Inflation knapp 40 Prozent ausmacht.

STANDARD: Was könnte Argentinien tun, um die Krise einzudämmen?

Foders: Das Land müsste den Peso freigeben. Er würde dann wohl hochschnellen (die Währung damit weiter abwerten, Anm.). Wie hoch der wahre Kurs ist, muss der Markt bestimmen, ob bei 15 Pesos je Dollar oder 20. Aktuell liegt der offizielle Kurs bei 8,2 Pesos, derjenige am Schwarzmarkt bereits bei über 13 Pesos. Eine Abwertung würde den Exporten mit Sicherheit einen Schub geben. Der Nachteil wäre, dass es auch der Inflation Auftrieb bekommt. Dann könnte die Inflation auf 50 Prozent steigen. Es ist eine sehr schwere Aufgabe, die Inflation auf unter zehn Prozent zurückzufahren.

Standard: Wenn das Land den Rechtsstreit beilegt, könnte es von der globalen Liquiditätsschwemme profitieren und sich finanzieren?

Foders: Natürlich leben wir in einer sehr günstigen Großwetterlage. In den Industrieländern gibt es Zinssätze von Null und Anleger suchen höhere Renditen. Doch ein Land, das 2001 zahlungsunfähig wurde und erst vier Jahre bzw. neun später seinen Gläubigern ein Angebot machte ... Wir schreiben jetzt das Jahr 2014 und der Streit ist immer noch nicht geregelt. Das hat die Reputation beschädigt.

STANDARD: Argentiniens Regierung streitet wegen Klauseln in den Anleihenverträgen erbittert, den RUFO (Rights upon future offers). Diese könnten im Fall der Einigung mit den Hedgefonds Milliardenklagen anderer Investoren nach sich ziehen. Eine berechtigte Sorge?

Foders: Die RUFO sind eine Nebelkerze. Die sollte man nicht so ernst nehmen, schließlich stehen sie nur in einigen wenigen Anleihen. Die argentinische Regierung bläst das auf. Diese Klausel würde nur anspringen, wenn den Hedgefonds ein freiwilliges Angebot gemacht wird. Davon ist die Regierung weit entfernt. Alles, was auf dem Tisch liegt, ist eine Anweisung eines US-Richters. Das Land hat drei Verfahren verloren und muss eine Anordnung befolgen. Davon berührt die Klausel nicht.

STANDARD: Aber zeigt der Fall nicht, dass es ein Insolvenzrecht braucht, um unnötigen Schaden durch Pleiten zu vermeiden?

Foders: Es braucht sicher ein Insolvenzrecht für internationale Anleihen. Bislang werden sie immer nur nach nationalem Recht begeben. Dabei brauchen wir künftig ein Völkerrecht und internationale Gerichte für Anleihen. Teil dieses Rechts muss es natürlich sein, dass ein Land auch zahlungsunfähig werden kann und irgendwann geordnet wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 30.7.2014)