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Der französische Präsident Francois Hollande beim Kaffeetrinken - Pazifist Jean Jaurès neben ihm.

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Der deutsche Vizekanzler Siegmar Gabriel bei einer Kranzniederlegung in Paris.

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Das Gedenken an den ersten Weltkrieg ist derzeit in Frankreich allgegenwärtig. Medien, Museen und Politiker erinnern an den Ausbruch des „Großen Krieges“, der in der französischen Geschichte eine zentrale Bedeutung hat. Ein Mann flimmert in diesem Zusammenhang öfter als andere über die französischen Bildschirme: Jean Jaurès. Am 31. Juli 1914 wurde der überzeugte Verfechter von Pazifismus und Sozialismus von einem radikalen Nationalisten in Paris ermordet. Am Donnerstag wurden ihm zu Ehren in Paris und anderen französischen Städten Gedenkfeiern abgehalten.

Frankreichs Politik und Jaurès

Jean Jaurès mag außerhalb seines Heimatlandes Wenigen ein Begriff sein, ein Blick auf Straßenkarten französischer Städte zeugt von seiner Bedeutsamkeit für das Land: über 2000 Straßen und zahlreiche Schulen, Metrostationen und Plätze tragen seinen Namen. Wie groß der Einfluss Jaurès auf die französische Gesellschaft tatsächlich war geht jedoch weit über Straßennamen hinaus und spiegelt sich auch in der aktuellen französischen Politik wieder. Politiker unterschiedlichster Auffassungen beschwören regelmäßig das Bild Jean Jaurès herauf: Nicolas Sarkozy meinte etwa, der wahre Erbe Jean Jaurès zu sein. Francois Hollande beschloss seine Wahlkampagne 2012 in Carmaux, wo sich Jaurès einst für die streikenden Minenarbeiter stark machte. Sogar auf einem Plakat der rechtsradikalen Partei Front National war der sozialistische Politiker zu sehen: „Jean Jaurès hätte für die Front National gestimmt“ – stand unter seinem Porträt.

Jean Jaurès wurde am 3. September 1859 im Südwesten Frankreichs geboren und absolvierte seine Schul- und Studienzeit an Pariser Eliteschmieden. Bereits in den 1880er Jahren engagierte sich Jaurès für die gemäßigte republikanische Partei und wird 1885 mit 26 Jahren zum jüngsten Abgeordneten der französischen Nationalversammlung gewählt. 1892 setzte er sich für streikende Minenarbeiter in Carmaux ein und wechselte in weiterer Folge in das sozialistische Lager. Nach mehreren gescheiterten Versuchen vereinte Jean Jaurès 1905 die unterschiedlichen sozialistischen Strömungen in Frankreich und wurde der erste Präsident der SFIO (Französische Sektion der Arbeiter-Internationalen), der Vorläufer der französischen Sozialisten Partei (PS).

Generalstreik der Arbeiter

Jean Jaurès politisches Wirken stand ganz im Zeichen des Kampfes für Gerechtigkeit und Frieden: Er trat für die Abschaffung der Todesstrafe ein und forderte während der Dreyfus-Affäre die Revision. In den letzten zehn Jahren seines Lebens zeigte er sich besorgt über den wachsenden Nationalismus und die Rivalitäten zwischen den Großmächten in Europa. Um Spannungen mit dem Deutschen Reich zu vermeiden, sprach er sich offen gegen die Errichtung eines französischen Protektorats in Marokko aus. 1913 engagierte er sich gegen die Verlängerung des Wehrdienstes, die aufgrund eines möglichen Krieges mit Deutschland eingeführt wurde. Nach dem Attentat von Sarajevo im Juni 1914 rief Jaurès die Arbeiter in Frankreich und Deutschland zu einem Generalstreik auf. Denn ohne Arbeiter könne es keinen Krieg geben, dachte er.

Mit seinem Auftreten machte sich Jean Jaurès viele Feinde, ließ sich jedoch trotz zahlreicher Todesdrohungen nicht von seinem Vorhaben, einen Krieg in Europa zu verhindern, beirren. Am Tag vor seinem Tod, am 29. Juli 1914, reiste er noch für ein Treffen der Sozialistischen Internationale nach Brüssel und plädierte an der Seite von Rosa Luxemburg ein letztes Mal für Frieden. Jean Jaurès dinierte am 31. Juli 1914 im Pariser Café du Croissant als der 29-jährige Nationalist Raoul Villain zwei Schüsse auf ihn abzielte. Die Ermordung Jean Jaurès am 31. Juli 1914 bedeutete das Ende der letzten Hoffnung auf Frieden für Europa. Drei Tage nach seinem Tod, am 3. August 1914, erfolgte die Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich. (Judith Moser, derStandard.at, 01.08.2014)