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Die langjährige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ist am Samstag verstorben.

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Barbara Prammer mit Bundespräsident Fischer im Oktober 2013.

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Prammer im Jahr 2006 mit Alfred Gusenbauer.

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Im Jahr 2006 übernahm Barbara Prammer das Amt als Nationalratspräsidentin. Ihr Vorgänger in diesem Amt war Andreas Khol.

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Prammer 1997 mit der ehemaligen Frauenministerin Johanna Dohnal.

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Barbara Prammer mit dem ehemaligen Kanzler Viktor Klima. Das Bild stammt aus dem Jahr 2000.

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Wien – Politik lernt man am besten dort, wo man wenig Chancen hat – aber einer Gruppe angehört, die entschlossen ist, diese Chancen, so gut es geht, zu nutzen. Barbara Prammer hatte dieses Glück. Im Frühjahr 1990 war die in Linz lebende Hausruckviertlerin in einer Kampfabstimmung der oberösterreichischen Sozialdemokratinnen ihrer Freundin Inge Jäger aus Eferding vorgezogen worden. Und nun drängten die Frauen darauf, in der Landespartei endlich ernst genommen zu werden.

Prammer sah sich in die Pflicht genommen, ging im Herbst 1990 zum damaligen Landesparteichef Karl Grünner und verlangte, dass endlich eine Frau, sie selber, auf einen frei werdenden Landesratsposten nachrücken müsse. Vom Parteipräsidium wurde sie (mit Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Franz Dobusch) nominiert, im Parteivorstand fiel sie durch. Es dauerte ein weiteres Jahr, bis sie ihr erstes öffentliches Mandat bekam.

Einzug in den Landtag

Bei der Landtagswahl 1991 verlor die SPÖ zwar, dank der Frauenquote, die Prammer durchgesetzt hatte, zog sie aber nicht nur in den Landtag ein, sondern gleich auch ins Landtagspräsidium. Die Souveränität in der Vorsitzführung, die sie im Nationalrat bewiesen hat, gründete sich also auf die Erfahrung im oberösterreichischen Landtag.

Ihre Menschenkenntnis aber stammt aus den Jahren davor. Um 1980 herum hatte sie zwar gemeinsam mit Dobusch und dem damaligen Juso-Exponenten Josef Ackerl große Pläne für einen Linksruck und eine Verjüngung der Sozialistischen Partei geschmiedet, zunächst einmal aber wollte sie beruflich auf eigenen Beinen stehen. Dazu hatte sie ihr Vöcklabrucker Lehrer Josef Pernsteiner motiviert, als er erfuhr, dass seine Schülerin noch vor der Matura schwanger geworden war: Sie solle sich auf die Matura konzentrieren, solle ja nichts überstürzen und schon gar nicht überstürzt heiraten.

Alleinerziehende Mutter

Dieser Rückhalt an der Schule und in ihrer sozialistisch geprägten Familie haben Prammer – damals noch Thaller – geprägt. Als alleinerziehende (aber von den Eltern unterstützte) Mutter arbeitete sie am Gemeindeamt ihres Heimatortes Ottnang. "Es gibt im Leben eben immer wieder Situationen, in denen es darauf ankommt, die richtigen Menschen um sich zu haben“, schrieb Prammer in ihren Memoiren "Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden" (Styriabooks, 2011). Sohn Bertram war bei den Großeltern gut aufgehoben – und als Vater Leopold Thaller 1978 Bürgermeister von Ottnang wurde, wechselte Barbara Thaller zum Studium nach Linz.

Das war in den letzten Jahren der Ära Kreisky, die die damalige linke Jugend prägten: Man diskutierte viel, und Soziologie erschien als ideale Studienwahl – engagierte junge Leute wollten die Gesellschaft kennenlernen, die sie zu verändern beabsichtigten.

Einblicke in Lebenssituationen

In Prammers Diplomarbeit ging es um berufstätige und arbeitslose Frauen sowie um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Studentin (inzwischen mit dem um ihre Karriere besorgten Linzer Gemeinderat Wolfgang Prammer verheiratet) betrieb intensive Feldforschung in Form von Befragungen und Tiefeninterviews – "wissenschaftliche Erforschung gesellschaftlicher Zusammenhänge auf Basis gelebter Realität“ nannte man das. Auf diese Weise bekam sie tiefe, authentische Einblicke in die Lebenssituationen der Frauen: "Dabei entdeckte ich nicht selten Parallelen zu meiner Lebensgeschichte“, erinnerte sie sich später.

Und auch die berufliche Praxis beim Arbeitsamt (heute: AMS) vermittelte ihr ein Gefühl dafür, wie die Menschen wirklich leben – und wie man ihnen helfen kann. Unter anderem: indem man ihnen Beharrlichkeit beibringt – wie jener Frau, die wegen ihrer schlechten Zähne als unvermittelbar galt. Prammer brachte sie persönlich zum Zahnarzt, damit sie keine Ausflüchte hatte – eine erfolgreiche Berufstherapie, die der Frau eine Perspektive vermittelte.

Klar, dass die Aufmerksamkeit der Frauenpolitikerin Prammer stets besonders den Frauen gehörte: Nach vier Jahren im Landtagspräsidium wechselte sie 1995 als Landesrätin für Naturschutz und Wohnbau in die Regierung von Josef Pühringer. Wieder gab es Frauenfragen zu berücksichtigen – und, weil damals die Probleme mit dem AKW Temelín immer deutlicher wurden, auch massive Umweltkonflikte zu bewältigen.

Ministerin für Frauen und Konsumentenschutz

Prammer nahm dieses Thema in die Bundesregierung mit, als sie vom damals neuen Bundeskanzler Viktor Klima als Ministerin für Frauen und Konsumentenschutz 1997 in die Bundesregierung berufen wurde. Und das kam so: Helga Konrad, kämpferische Frauenministerin unter Kanzler Franz Vranitzky und Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ, stand dem Vernehmen nach auf Klimas Abschussliste. Konrad mobilisierte daraufhin ihre oberösterreichische Kollegin Prammer, die Klima wüst beschimpfte, weil er angeblich das Frauenministerium abschaffen wollte.

Der neue Kanzler aber bestritt diese Absicht – und bot Prammer gleichzeitig an, Frauenministerin zu werden. Für die Oberösterreicherin ein Gewissenskonflikt, bei dessen Überwindung die amtierende Frauenministerin half, indem sie Prammer überzeugte, dass es im Sinne der Frauen besser wäre, die vorgeschlagene Lösung zu akzeptieren. Sie tat es – und konnte als gleichzeitig für den Konsumentenschutz zuständige Ministerin einen Teil des Konsumentenbudgets für Frauenpolitik umschichten. Frauenpolitik vertrat sie stets mit leiser Stimme und umso mehr inhaltlichem Nachdruck – ein Kontrast vor allem zur streitbaren Vorvorgängerin Johanna Dohnal.

Bescheiden, aber konsequent

Das Poltern, das Geifern lag ihr nie – sie trat stets lieber bescheiden, dafür aber konsequent auf. Das bekam auch ihr Mann zu spüren, der – wie sich herausstellte, zu Unrecht – im Frühjahr 1997 von einer jungen Sekretärin der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Die neue Frauenministerin stellte sich unmissverständlich auf die Seite der Frau, was der Ehemann nie verwunden hat. Es blieb ihr keine Wahl. "Hätte ich nicht auf der Seite der Frau gestanden, hätte ich als Frauenministerin zurücktreten müssen. Das ist vollkommen logisch“, sagte sie später dem Magazin "Datum". Die Ehe wurde der Politik geopfert und 2001 geschieden.

Drei Monate nach dem Ministerinnenamt übernahm Prammer dann auch den Vorsitz der SPÖ-Frauen, den sie dann zwölf Jahre innehatte. Das war vor allem nach 2000 wichtig: Die SPÖ musste der schwarz-blauen Regierung Platz machen, die die Frauenförderung weit nach hinten reihte. Prammer in ihren Erinnerungen: "Alleine die Tatsache, dass in der schwarz-blauen Koalition mit Herbert Haupt ein Mann 'Frauenminister' wurde und er in seinem Ressort gleich einmal eine 'Männerabteilung' einrichtete, war in hohem Maße zynisch und eine politische Ohrfeige für alle Frauen in diesem Land.“ Gleichzeitig musste die in fünf Jahren Regierungsarbeit an ein Büro gewohnte Ex-Ministerin nun als einfache Abgeordnete mit der bescheidenen Infrastruktur des Parlamentsklubs leben.

Begeisterte Parlamentarierin

Es waren die Jahre in der Opposition, die ihr Gefühl für Parlamentarismus prägten – und die sie für höhere Ämter prädestinierten: "Ich kann für mich und von mir schon sagen: Ich bin eine begeisterte und überzeugte Parlamentarierin. Ich habe gelernt, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen im Haus ist, und Sie können sicher sein, ich werde mich darum auch ganz besonders bemühen“, sagte sie programmatisch. Prammer wurde am 16. Juni 2004 Nachfolgerin des zum Bundespräsidenten gewählten Zweiten Nationalratspräsidenten Heinz Fischer, etwas mehr als zwei Jahre später rückte sie (nach dem knappen Wahlsieg der SPÖ 2006) ins Amt der Nationalratspräsidentin auf. Von Fischer, aber auch vom schwarzen Nationalratspräsidenten Andreas Khol hatte Prammer gelernt, den Parlamentarismus transparenter zu machen, das Hohe Haus auch zu öffnen.

In der SPÖ – und darüber hinaus – meinten viele, Prammer wäre auch in der Hofburg die ideale Nachfolgerin für Heinz Fischer. Sie hat entsprechende Spekulationen stets bescheiden von sich gewiesen. Mit ihrem Ableben entsteht nicht nur im Nationalratspräsidium, aus dem sie sich vor den letzten Sitzungen krankheitshalber zurückziehen musste, sondern auch in den Planungen ihrer Partei eine Lücke.

Barbara Prammer ist am Samstagnachmittag ihrer schweren Krebserkrankung erlegen und im Kreise ihrer Familie verstorben. (Conrad Seidl, derStandard.at, 2.8.2014)