Der Nachgeschmack von Aufgewärmtem.

Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Sigi Lützow

Aufgewärmtes ist nur selten von gleichbleibender Qualität oder wird, wie Gulasch, von Mal zu Mal besser. Freilich könnte die Wiederaufnahme einer intimen Beziehung erhöhten Genuss mit sich bringen. Durchaus vorstellbar, dass etwas dank inzwischen gesammelter Erfahrungen und erlernter Gewandtheit eine Ode an die Freude wird, was zuvor, als man quasi echt noch nicht wusste, wo hinten und vorn ist, ein peinliches Gestammel war. Eine völlige Blamage ist aufgrund des Vorwissens ziemlich ausgeschlossen.

Freilich kann die Gulaschallegorie auch anders schlagend werden. Denn selbst der feurigste Eintopf hat ein unwiderrufliches Ablaufdatum. Weil aber Zuspruch der Sinn dieser Zeilen sein soll, schlage man sich die Gedanken an welkes Fleisch flott wieder aus dem Kopf - und auch der unsterbliche Schmäh, wonach das Schönste an den alten Mädchen oder Buben immer noch die alten Bilder sind. Also: Sex mit Verflossenen ist kein Sex mehr, der ist fast schon Viertelsieben! Das ist so wahr, wie alles, was in dieser Zeitung steht.

Kontra
Von Julia Herrnböck

Auch wenn es noch so gut schmeckt: An dem aufgewärmten Gulasch von gestern kann man sich in der Gegenwart beachtlich den Mund verbrennen. Das beste Argument liefert der Kollege gleich selbst.

Würde Sex mit dem Ex nicht ins ewige innere Höllenfeuer führen, müsste er hier nicht so rumeiern und könnte einfach die Vorteile aufzählen. Aber nein, der gute Mann baut vor. Schließlich, Regel Nummer eins, sehen aktuelle Bettgenossen ein Stelldichein mit Verflossenen nur selten so entspannt wie der Gulaschesser selbst. Und auch wenn sich dieser keiner Schuld bewusst ist und von der ablehnenden Reaktion gerade zu überwältigt wird, kann ich nur dringend davon abraten, auch noch das Argument "Das ist ja eigentlich kein richtiges Fremdgehen" mit ins Spiel zu bringen. Die nachfolgenden Szenen kann sich jeder ausmalen.

Da halte ich es lieber mit dem Motto der US-Schauspielerin Mae West: "Wenn ich zwischen zwei Übeln wählen muss, nehme ich mir immer das, was ich noch nie ausprobiert habe." (Rondo, DER STANDARD, 8.8.2014)