Hafenromantik, Pubs, Gesang und Gitarrenmusik, die aus den Lokalen dringt – und dazu kreischen ein paar Möwen. Nur Schafe laufen hier nicht auf der Straße rum: Der Ort Foynes in der Nähe von Limerick im Westen des Landes ist so typisch irisch, wie man sich das als Tourist vorstellt.

Wer das Flugboot betritt, wundert sich vermutlich einmal über die Größe des Geräts: Die Passagiere hatten auf dem Weg in die USA außergewöhnlich viel Platz.
Foto: Peter Illetschko

Er hat aber auch eine recht außergewöhnliche Geschichte: Hier befand sich während des Zweiten Weltkriegs einer der größten zivilen Flughäfen. In den 1930er- und 1940er-Jahren war Foynes nämlich Start- und Landebahn für Flugboote, die den Atlantik überquerten. Eine recht luxuriöse Angelegenheit, wie sich Besucher des beliebten Flying Boat Museums von Foynes überzeugen können, wo eine nachgebaute Boeing-314-Maschine steht.

Ein Flugschiff als Flaggschiff

Wer sie betritt, wundert sich vermutlich einmal über die Größe des Geräts: Die Passagiere der Flugschiffe hatten außergewöhnlich viel Platz. Ein großes Speisezimmer erinnert eher an Luxushotels als an die Innenausstattung eines Flugzeugs. Hochzeitspaare konnten eine Suite mieten – Champagner inklusive. Das Angebot, die Flugzeit von mehr als 22 Stunden liegend und zu zweit zu verbringen, wurde immer wieder gerne angenommen.

Ein Restaurant-Chef mixte aus Mangel an anderen Ingredienzien irischen Whiskey mit starkem Kaffee, braunem Zucker und Schlagobers – den Erzählungen nach, um einen frierenden Fluggast aufzuwärmen.
Foto: Peter Illetschko

Aber Foynes war nicht nur das Tor in die USA für Menschen, die es sich leisten konnten, am Airport wurde auch der berühmte Irish Coffee erfunden – den Erzählungen nach, um einen frierenden Fluggast aufzuwärmen. Ein Restaurant-Chef mixte aus Mangel an anderen Ingredienzien irischen Whiskey mit starkem Kaffee, braunem Zucker und Schlagobers.

Von diesem Zeitpunkt an dauerte es nicht lange, bis das Getränk weltberühmt wurde: Dass Filmstars wie Marilyn Monroe mit Irish Coffee fotografiert wurden, hat dabei sicher nicht geschadet. Heute werden im Ort Irish-Coffee-Wettkämpfe ausgetragen: Es gewinnt, wer nach Meinung einer Jury das beste Getränk mixt. So will man die Tradition hochhalten und dabei auch noch Spaß haben. In beiden Disziplinen sind die Iren hoch talentiert.

Flucht vor der Hungersnot

Geschichten vom Abfahren und Ankommen erzählt man sich in Irland recht viele: Das hat vermutlich noch immer mit den großen Auswanderungswellen im 18. und 19. Jahrhundert zu tun. Viele Iren verließen während der industriellen Revolution und einer großen Hungersnot das Land in Richtung USA. Auch nach Beginn der Finanzkrise 2008 setzte reflexartig eine Auswanderungswelle ein. Die Financial Times schrieb im vergangenen Jahr schon von fast 400.000 Emigranten. Sie schrieb aber auch von über 270.000 Einwanderern. Sind die Bewohner des Landes also ständig im Kommen und Gehen?

Grüner als andere Wiesen

Das Bild, das sich bei der Autofahrt von einer südwestirischen Stadt zur anderen zeigt, ist ein vollkommen anderes: Auf den Wiesen, die scheinbar grüner sind als alle anderen Wiesen dieser Welt, stehen grasend unzählige Schafe. Sie bewegen sich offenbar nur, wenn es unbedingt sein muss. Ab und zu sieht man einen Hirten, der sie mit Unterstützung eines Hundes antreibt. Ein bisschen Bewegung wird der Wollproduktion der Region nicht schaden.

Ab und zu sieht man einen Hirten, der die Schafe mit Unterstützung eines Hundes antreibt. Ein bisschen Bewegung wird der Wollproduktion der Region nicht schaden.
Foto: Peter Illetschko

Auch die Menschen haben es hier nicht eilig. Sie strahlen eine Gelassenheit aus, die Urlaubern, die aus dem hektischen Alltag kommen, nur positiv auffallen kann. Und sie pflegen einen ansteckenden Humor. Damit kommentieren sie ihr Leben, die Politik und das typische irische Wetter, das sehr wechselhaft jederzeit zwischen leicht bewölkt, Sonnenschein und heftigen Regenschauern wechseln kann. Dann hört man zum Beispiel Sprüche wie diesen: „Wenn Ihnen unser Wetter nicht gefällt, warten Sie bitte ein paar Minuten. Dann wird es nämlich ganz anders sein!“

„Wenn Ihnen unser Wetter nicht gefällt, warten Sie bitte ein paar Minuten. Dann wird es nämlich ganz anders sein“, pflegen die Iren zu sagen.
Foto: Peter Illetschko

Viele Irlandreisende, die mit dem Auto im Westen des Landes unterwegs sind, treibt es nach Dingle. Diese Halbinsel hat eben ihren Reiz: zum Beispiel einen Blick auf die Blasket Islands, wo immerhin bis 1953 abgeschieden von Strom- und Wassernetzen Menschen lebten, die für lebenswichtige Dinge den stürmischen Weg auf die Hauptinsel nehmen mussten. Unter ihnen waren viele Fischer und auch in gälischer Sprache schreibende, in der Isolation sehr aktive Literaten.

Fungi, der Delphin

Die Stadt Dingle, die in einer Bucht am Atlantik liegt, ist größer und deutlich touristischer als Foynes. Hier gibt es seit den 1980er-Jahren eine Attraktion: einen Delfin, der seit damals in einer Bucht vor der Stadt lebt. Fischer bieten Touristen Bootsfahrten an, um das Tier zu sehen. Einer von ihnen hat dem Meeressäuger den Namen „Fungi“ gegeben. Natürlich hat sich eine Fungi-Industrie in Dingle entwickelt: Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Stadt, in der einst David Leans Kinoepos Ryans Tochter (1969) entstand und die damals ihre erste Blütezeit erlebte.

Als irischer Held etikettiert

In Dingle gibt es aber mittlerweile mehr als nur Tourismus: Zum Beispiel eine Bierbrauerei: Crean’s ist nach einem irischen Abenteurer benannt. Tom Crean (1877 bis 1938) war auch einer, der vom Abreisen und Ankommen berichten konnte: Er nahm an Antarktis-Expeditionen teil. „A true irish hero“, wie auf dem Bier-Etikett vermerkt ist.

Sein Markenzeichen: Er war Pfeifenraucher, dazu trug er berufsbedingt meistens einen dicken Rollkragenpullover. Im Besucherzentrum hat man daher eine solche Pfeife neben eine brennende Kerze gelegt, daneben die Biografie Creans, T-Shirts: Man weiß hier offenbar, wie man Helden publikumswirksam verehren muss. Dingle ist anscheinend auch ein Ort, wo sich Menschen niederlassen – obwohl Besucher gerade von den Bewohnern hören, wie menschenleer und finster die Stadt im Winter ist.

Die Gegend um Dingle ist anscheinend ein Ort, wo sich Menschen wieder niederlassen – obwohl Besucher gerade von den Bewohnern hören, wie menschenleer und finster die Stadt im Winter ist.
Foto: Peter Illetschko

Zustand der Verzückung

Aus Deutschland kommt zum Beispiel eine Käse-Shop-Besitzerin, deren Sortiment Appetit macht. Unweit davon kann man bei den Gebrüdern Murphy Eiscreme aus Meerwasser probieren. Wer auf der Halbinsel Dingle unterwegs ist, könnte zur Landzunge Slea Head fahren. Eine etwa 30 Kilometer lange, kurvige Panoramastraße führt dorthin und bietet wieder einige Ausblicke, die alles haben, was Romantiker brauchen: stürmisches Meer, Felsen, Klippen und, wenn die Sonne sich zeigt, ein Licht, das fotografierende Urlauber in den Zustand der Verzückung bringt und zum Ruf dieser irischen Region beiträgt. (Peter Illetschko, Album, DER STANDARD, 09.08.2014)