Das Sinohouse ist nicht mehr, blieb aber ein Chinese und heißt nunmehr New Sichuan.

Gerhard Wasserbauer

Erst aus dem Zusammenspiel der vielen Happen und Hauptgerichte erwächst das Gesamtbild der chinesischen Küche als einer der größten überhaupt.

Gerhard Wasserbauer

Irgendwie schien das Sinohouse in der Himmelpfortgasse unter keinem guten Stern zu stehen. Zwar war das prächtige Restaurant des aus Malaysia gebürtigen chinesischen Gastronomenpaars Jin und Fong Loh in den Guides konsistent unter den Top-Ethno-Buden der Stadt, auch an dieser Stelle wurde nach der Eröffnung vor zwei Jahren die Qualität von Dim Sum und Peking-Ente zumindest ebenso gelobt wie der grandios bestückte Weinkeller.

Allzu oft saß man aber im fast leeren Restaurant, auch der Service blieb bald hinter jenen Standards zurück, die am Anfang - etwa mit Sommelier Robert Stark - gesetzt worden waren. Familie Loh hat dem Vernehmen nach bereits ein neues Objekt im Auge, das bisherige Sinohouse aber wurde vor ein paar Wochen an Pang Xiaolin übergeben.

Staatlich-chinesisches Vorzeigerestaurant

Freunden chinesischen Essens dürfte der Mann als Chefkoch des einst als staatlich-chinesisches Vorzeigerestaurant gegründeten China Sichuan ein Begriff sein. Keine schlechte Visitenkarte, selbst wenn das mit Ententeich und ziseliertem Garten ausgestattete Etablissement sich zuletzt doch deutlicher an lokalen Vorstellungen vom chinesischen Essen zu orientieren schien - Stichwort Tellerservice. Die Speisekarten bieten hier wie da einen beachtlichen Querschnitt der Sichuan-Küche - über weite Strecken sogar wortgleich.

Wie stets beim Chinesen werden nur jene eine Ahnung der Geschmacksvielfalt bekommen, die abends in größerer Runde kommen (zu Mittag gibt es auch hier die üblichen Sättigungsmenüs) und möglichst einen der beiden großen, runden Tische mit Drehplatte in Beschlag nehmen: Erst aus dem Zusammenspiel der vielen Happen und Hauptgerichte erwächst das Gesamtbild der chinesischen Küche als einer der größten überhaupt. Bei den Vorspeisen muss man achtgeben, dass nicht alles irgendwie in rotscharfem Öl gebadet serviert wird, weshalb neben saftigem und kühl würzigem "Rindfleisch in Scheiben in scharfer Sauce" etwa die knusprig gerösteten Rettichkuchen geordert werden sollten - ein wunderbar sanfter, animierender Kontrast.

Dim-Sum

Blanchierte Blätterkutteln, die von der Konsistenz mit Abstand attraktivsten, aber am mühsamsten vorzurichtenden Teile des Kälbermagens, sind von fantastischem Biss, mit allerhand Kräutern, Sesamöl und Gewürzen zu einem leichten Salat zusammengefügt: sehr zugänglich. Frittierte und kühl marinierte Scholle hingegen klingt deutlich spannender, als sie schmeckt: trocken, fest und doch labberig, ohne Andockungspunkt für westliche Gaumen. Dim-Sum gibt es auch ein paar, neben den klassischen Shrimpstäschchen mit chinesischem Schnittknoblauch lohnen die Jiaozi in schillernd würziger, pikanter Sauce.

Bei den Hauptspeisen kann man statt der - teuren - Riesengarnelen mit Salz-Pfeffer (Nr. 41) um dasselbe Gericht mit Kalmar bitten - köstlicher, günstiger und aus Wildfang! Ein Erlebnis ist auch Shui-Zhu-Yu-Fisch in scharfer Sichuan-Suppe, bei dem dünn geschnetzelter Amur nur wenige Sekunden in einer brüllheißen, chiliroten Öl-Melange mit Sichuan-Pfeffer (betäubt die Zunge auf höchst geschmackvolle Art), knackigem Romana-Salat, Stangenzeller und Jungzwiebel gegart wird und - wegen des vielen Öls - mit einem Sieblöffel zu Tisch kommt. Gut gelingen auch Gemüsegerichte wie Wasserspinat oder Melanzani in Yuxiang-Geschmack. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 14.8.2014)