Veterinärmedizinerin Marlene Katharina Kirchner macht in Kopenhagen Karriere.

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Im zweiten Bildungsweg studierte Marlene Katharina Kirchner Veterinärmedizin in Wien. "Ich habe erst begonnen, als ich 25 war", erzählt sie. Von 16 bis 19 machte sie die Ausbildung zur Kleinkindpädagogin, danach war sie Bildungsreferentin bei der katholischen Jungschar. Mit 24 Jahren fasste sie den Entschluss, sich ihren Wunsch zu erfüllen und ein Studium zu absolvieren. "Ich dachte mir, ich mache das neben der Arbeit", sagt sie. Sie gab sich ein Jahr Zeit für das Experiment.

Selbst finanziert

"Ich habe keine Studienbeihilfe erhalten und musste mir das Studium komplett selbst finanzieren", erklärt sie. Nach zwei Semestern war sie sicher, weitermachen zu wollen, kündigte bei der Jungschar und finanzierte sich über Studentennebenjobs. Nach dem Studium und Doktorat bewarb sie sich erfolgreich für eine Assistentenstelle an der Universität für Bodenkultur. Die war auf vier Jahre befristet, "ein kompletter Unsinn", wie sie sagt, "nach zwei bis drei Jahren kennt man sich erst richtig aus".

Einmal habe sie dann noch eine Verlängerung für ein Drittmittelprojekt bekommen, dann habe sie sich um diverse Stellen beworben. "Da war noch nicht klar, dass das kein Job in Österreich wird, aber ich habe mich europaweit beworben." Weiter weg wollte sie aus familiären Gründen nicht, ihre Tochter wird demnächst 18 Jahre alt und geht in Wien zur Schule. "Ich dachte auch daran, dass wir alle gemeinsam mit meinem Lebenspartner den Wohnort wechseln können, das wäre für uns alle okay gewesen", erzählt sie.

Professorin für Tierwohlergehen

Schließlich kam es anders, und sie lebt und arbeitet ohne ihre Familie seit Ende April als Assistenzprofessorin für Tierwohlergehen an der Universität Kopenhagen. Als Expertin für das Tierwohlergehen in der Nutztierhaltung wäre für sie auch Großbritannien oder ein skandinavisches Land infrage gekommen, weil "die neben Mitteleuropa in meinem Fach am weitesten sind in Europa". Kopenhagen gefällt ihr inzwischen gut, "eine wundervolle Stadt", sagt sie, und "das Wetter ist nicht so schlecht, wie ich mir das vorgestellt habe". Rund einmal im Monat kommt sie nach Österreich, einmal monatlich reisen im Gegenzug auch der Lebenspartner und die Tochter an.

Sie habe unter einigen Angeboten aus Großbritannien, Deutschland und Frankreich wählen können. Die Alternative, in Österreich zu bleiben und sich selbst eine Stelle über einen Projektantrag zu finanzieren, sei nicht attraktiv gewesen: "Nur rund zehn bis 15 Prozent der Anträge werden bewilligt. Ich wollte nicht zittern und ein halbes Jahr warten, um dann vielleicht eine Absage zu bekommen", erklärt sie. "Die Unis verlangen eine hohe Spezialisierung. Diese 'Exzellenz' steht einem bei Bewerbungen aber dann oft ihm Wege. Dabei muss man von der Prämisse ausgehen, dass nur noch befristete Stellen vergeben werden."

"Mittelbau bricht weg"

Die Folge: "Der Mittelbau bricht komplett weg", konstatiert Kirchner. "Was man hiermit aufgibt, ist ein großes Fachwissen, aber auch ein Systemerhalt. Wer setzt sich jetzt unbezahlt in die Kommissionen? Wer hat Zeit dafür?" Sie selbst plant, im kommenden Jahr neben ihrer Tätigkeit an der Uni ihren Fachtierarzt zu machen. In Kopenhagen könnte sie nach vier Jahren entfristet werden, nach Österreich zurückzukommen kann sie sich nur vorstellen, "wenn ich innerhalb eines Jahres einen guten Job in der Forschung bekomme".

Dabei hat sie das Studium in Österreich in guter Erinnerung: "Man konnte sich den Studienplan nach Möglichkeiten und Interessen zusammenstellen." Jetzt sei alles "total verschult". Die Wahlfächer würden mehr und mehr gestrichen, kritisiert sie. "Aus Sicht der Studierenden ist das eine Verarmung", sagt die 1977 Geborene, und: "Was auf der Strecke bleibt, ist die Persönlichkeitsentwicklung." Immer "jüngere Studierende würden durch ein verschultes System so schnell wie möglich durchgeschleust". Die seien dann "mit Wissen vollgestopft, haben aber wenig Lebensreife und Wahrnehmung der Verantwortung als Akademikerin".

In Dänemark hingegen stimmt sie die Zugangsbeschränkung an die Universität und die große "Outputorientiertheit" nachdenklich. Sie erzählt: "Hier wird alles publiziert, es geht darum, möglichst viele Papers aus einem Projekt herauszuholen. Das ist gut für die Karriere, aber die wissenschaftlichen Kernfragen und Prinzipien bleiben dabei mitunter auf der Strecke." (Tanja Paar, derStandard.at, 14.8.2014)