Bild nicht mehr verfügbar.

Aktivisten demonstrieren bei einem Shareholder-Meeting von Google gegen Arbeitsbedingungen und Gehälter

Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Politik der großen IT-Konzerne ruft regelmäßig Proteste hervor

Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Die großen Unternehmen könnten sich faire Bezahlung leisten, so Experten

Reuters

Bild nicht mehr verfügbar.

Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, warnt eindringlich vor Share-Economy-Modellen

Foto: Reuters

Share and Care - was als Motto für eine rücksichtsvolle, Ressourcen-sparende Gesellschaft gedacht war, könnte sich zu einem Bumerang entwickeln. Das glaubt zumindest Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Er kritisiert Geschäftsmodell wie Uber. "Das sind nicht neue Modelle der Ökonomie, sondern neue Formen der Ausbeutung", so Hoffmann in der aktuellen Ausgabe des Spiegel. Laut Hoffmann ginge es bei Angeboten wie z.B. Jobvermittlungs-Apps vor allem darum, dass der Zwischenmann "dauerhaft schnelles Geld bei Umgehung aller Vorschriften" verdiene.

Regulierung fehlt

Denn bei der sogenannten "Share-Economy" seien die Privatpersonen, die etwa als Chaffeur oder Putzkraft arbeiten, schlußendlich auf sich allein gestellt. "Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Arbeitsschutz und Arbeitszeitregeln" müssten dringend auf die neuen Beschäftigungsformen angewandt werden, so DGB-Chef Hoffmann weiter. Denn in der aktuellen Form sei dies "doch moderne Sklaverei".

"Goldgräberstimmung"

Auch die deutsche Politik zeigt sich besorgt, so der Spiegel weiter. Brigitte Zypris, Parlamentarische Staatssekretärin im deutschen Wirtschaftsministerium, spricht etwa von einem "Ausblenden der sozialen Folge". Weiters müssten dringend "Haftungs- beziehungsweise Versicherungsfragen" geklärt werden. Zypris: "Im Silicon Valley herrscht eine Goldgräberstimmung und die Share-Economy wird nur positiv gesehen."

Gerechtigkeit

Dabei ist die Kluft zwischen Reich und Arm nirgends so deutlich wie im Silicon Valley: Zu diesem Befund kommen namhafte Experten wie die Soziologin Marianne Cooper, die auf der Stanford University forscht. Schuld an der fehlenden Balance sind die großen IT-Konzerne: Sie zahlen ihren eigenen Technikern, Marketing-Gurus und Software-Spezialisten überdurchschnittliche Löhne – sparen aber beim sonstigen Personal, das oft über dritte Firmen bezogen wird.

Apple: Sohn der Hausbesorgerin wird Hausbesorger

Da wäre etwa Eulogia Figuera, eine 49-jährige Mutter: Sie arbeitet bei Apple, ist dort als Hausbesorgerin tätig. Pro Stunde verdient sie 14.94 Dollar, also rund elf Euro. Figuera lebt von der Hand in den Mund, teilt sich mit ihrem Ehemann, ihren erwachsenen Kindern und ihrer Schwiegertochter ein Apartment in San Jose. All ihr Leben habe sie dafür gearbeitet, dass ihr Sohn und ihre Tochter aufs College gehen können, erzählt sie USA Today – jetzt arbeitet ihr Sohn an ihrer Seite, als Reiniger bei Apple.

Minderheiten in Hilfsjobs

Genauso wie Figuera geht es vielen, die von US-Medien als „neue Unterschicht der IT-Branche“ bezeichnet werden. Darunter befinden sich besonders viele Hispanier und Afroamerikaner. Während die Diversity-Berichte von Apple, Facebook und Google alle zum Resultat kommen, dass weiße Männer die Gehaltsstruktur der IT-Konzerne dominieren, arbeiten daneben Minderheiten, die kaum von ihrem Gehalt leben können.

Oft keine Gewerkschaften

Ein Blick auf die Durchschnittsgehälter zeigt die Ungleichheit: Ein Angestellter im Tech-Bereich verdient rund 108.603 Dollar jährlich, Software-Ingenieure sogar 126.288 Dollar, berichtet USA Today. Dem gegenüber steht ein Drittel der Arbeitskraft, das unter 16 Dollar pro Stunde bezieht, sich oftmals gewerkschaftlich nicht organisieren und kaum Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann.

Mietpreise steigen rasant

Zusätzlich befeuert wird die Problematik durch rasant ansteigende Mieten rund um das Silicon Valley: Schon die Mittelklasse klagt in San Francisco über unleistbares Wohnen, für die "IT-Unterschicht“ ist an eine Mittelstand-Wohnung gar nicht zu denken. Arbeiter müssen oft stundenlang pendeln. So etwa Terrance Rollins: Er arbeitet als Busfahrer für Facebook, befördert die regulären Facebook-Angestellten zur Arbeit und wieder heim. Der erste Teil seines Arbeitstags endet um 10:45 vormittags, der zweite beginnt um 15:45. Die fünfstündige Pause ist nicht bezahlt, heimfahren kann er in dieser Zeit nicht. Also schläft er auf einem Stuhl im kleinen Pausenraum, der am Facebook-Campus für Hilfsarbeiter bereitgestellt wird.

12 Dollar für Küchenchef

Solche Beispiele ließen sich endlos fortführen: USA Today zitiert etwa Marcial Delgado, der bei Yahoo als Koch gearbeitet hat. Obwohl er in einer Führungsposition war, verdiente er lediglich 12 Dollar pro Stunde. Seine Arbeitskraft war so bemessen, dass Yahoo ihm lediglich 30 Stunden pro Woche zugestand - bei 40 Stunden wäre der eigentlich normale Leerlauf dazu berechnet worden. "Ich musste am härtesten arbeiten, während der durchschnittliche Yahoo-Angestellte zwischen fünf und zehn Mal soviel verdiente“, so Delgado, "das war erniedrigend."

IT-Konzerne könnten sich Gerechtigkeit leisten

Dabei ist das Problem nicht, dass Angestellte mit besseren Qualifikationen mehr verdienen – das ist normal und in jeder Branche so. Die Ungerechtigkeit ergebe sich dadurch, dass die "IT-Unterschicht“ an die Grenzen ihrer Belastbarkeit getrieben würde und sich dennoch kein normales Leben leisten könnte, erklärt etwa David Weil, der für eine Abteilung des US-Arbeitsministeriums arbeitet. Denn: Leisten könnten sich die großen IT-Konzerne bessere Löhne für all ihre Mitarbeiter locker – sie wollen aber primär ihre Shareholder befriedigen und dort sparen, wo es ihrem Unternehmen vermeintlich nicht wehtut. (fsc, derStandard.at, 17.8.2014)