Pablo Picassos Villa La Galloise in Vallauris ist in Privatbesitz. Am französischen "Tag des offenen Denkmals" im September wird das Haus erstmals für Publikum geöffnet.

Foto: Helge Sobik

Claude und Paloma sind lange ausgezogen, haben ihre Spielsachen mitgenommen - auch die Tiere aus Karton, die ihnen ihr Vater ausgeschnitten, gefaltet und bemalt hat. Jetzt toben andere kleine Kinder auf der Terrasse der Villa Galloise in den Hügeln von Vallauris im unmittelbaren Hinterland der Côte d’Azur: dort am Chemin Lintier, wo einst Pablo Picasso und seine damalige Lebensgefährtin Françoise Gilot von 1948 bis 1955 lebten. Dort, wo nach Trennung und Auszug der beiden einfach zugesperrt wurde und auf viele Jahre nichts mehr geschah. Dort, wo einst Claude und Paloma Picasso vor der Linse von Fotograf Robert Capa posierten.

Die Küchenfliesen sind geblieben

Die Kinder, die heute im Garten spielen und ab und zu in den Pool springen, den es damals noch nicht gab, sind Feriengäste. Ihre Eltern haben das Haus von den dänischen Besitzern gemietet, die es wiederum den prominenten Vorbesitzern abgekauft hatten. Der Garten ist noch angelegt wie auf den Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den 1950ern, die Fensterläden sind dieselben und seitdem noch ein paarmal überstrichen worden, ohne dass jemals die alte Farbe abgeschliffen wurde.

Die Küchenfliesen mit dem Blumenornament sind dieselben und der rustikale Holztisch dort sieht zumindest so aus, als könnte es der von Picasso und Gilot sein. Der dreiflügelige Spiegel im Flur, inzwischen ein wenig blind geworden, hing früher im Schlafzimmer des Künstlers. Nur aufgestockt wurde das Haus mittlerweile - das allerdings so dezent, dass es auch im Vergleich zu den alten Bildern von der Straßenseite kaum auffällt.

Picasso-Welle an der Côte

Vor fünf Jahren sorgte Picassos Stieftochter Catherine Hutin für Schlagzeilen, als sie Schloss Vauvenargues bei Aix-en-Provence, das der Künstler nur zwei Jahre lang als Wohn- und Ateliergebäude genutzt hatte, erstmals und unter strengen Auflagen dem Publikum öffnete. Damals kamen Besucher aus aller Welt, und die kontingentierten Tickets waren im Nu vergriffen.

Gleichwohl trat die bloße Möglichkeit der Besichtigung damals eine Picasso-Welle an der Côte d’Azur los, die dazu führte, dass eine offizielle touristische "Route Picasso" beworben wurde. Sie berührt wichtige Stationen seines Lebens und Wirkens - und spart doch abgesehen von Schloss Vauvenargue die anderen vier der fünf Häuser aus, die der Maler und Bildhauer während seiner letzten gut 25 Lebensjahre in Südfrankreich benutzt hat. Weil sie sich allesamt in Privatbesitz befinden.

Beschränkt offenes Denkmal

Die dänischen Besitzer der Villa Galloise öffnen ihr Haus nun erstmals, allerdings beschränkt auf den Sonntag am französischen „Tag des offenen Denkmals“ - „Journée du Patrimonie“. Das ist der 21. September. Damit sie nicht überrannt werden, müssen sich Interessenten beim Touristenbüro von Vallauris anmelden. Eine konkrete Zahl für die Tickets gibt es nicht - aber hunderte werden es eher nicht sein.

In den Jahren in Vallauris hat Pablo Picasso seine Liebe zu Lehm und Ton entdeckt und in den Räumen der Töpferei Madoura gearbeitet, außerdem in seinem Atelier du Fournas wenige Straßen weiter. Wenn er in der Villa Galloise arbeitete, dann fast nur nebenbei: um ein paar Skizzen zu machen, Entwürfe zu zeichnen - oder aus Karton jene Tiere für Claude und Paloma zu basteln.

Françoise führte hier das Regiment

Françoise Gilot war Picassos gepflegte Unordnung schon in der Anfangszeit ihrer Beziehung ein Dorn im Auge. Sie lästerte beim Blick in seine Pariser Wohnung: "Das zufällige Nebeneinander so vieler beziehungsloser Dinge hatte etwas ergeben, das mehr nach Picasso aussah als irgendetwas, das bewusst zusammengestellt worden wäre." Kein Zweifel: In La Galloise führte dann Françoise Gilot das Regiment.

Von Picasso bemalte ovale Teller hingen wie mit der Wasserwaage ausgerichtet übereinander an der Kaminschürze des Wohnzimmers. Den Kamin gibt es noch immer. Nur die Einrichtung sieht inzwischen dänisch aus - klare Linien, kein Schnickschnack. Es ist der einzige Raum, der sich verändert hat. Alle anderen fühlen sich an, als könnte Picasso aus einem Foto von damals heraustreten und irritiert ins Zimmer schauen. (Helge Sobik, Album, DER STANDARD, 16.08.2014)