Familienforscher Bernhard Riederer: Viele Faktoren bestimmen das Elternglück.

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Vor die Studienwahl gestellt, konnte sich Bernhard Riederer nicht entscheiden zwischen Geschichte, Jus, Psychologie und Volkswirtschaft. Bis er die Synthese aller Fächer in der Soziologie fand. Volkswirtschaft kam dann ein Jahr später hinzu. Der 1981 geborene Steirer behielt auch während und nach seinem Studium an der Uni Graz einen breiten Blickwinkel bei: Zwischendurch beschäftigte er sich mit so unterschiedlichen Feldern wie Wettbewerbsrecht, Umweltsystemwissenschaften und Demokratieforschung. Durch seine gesamte Laufbahn zieht sich aber ein Thema: die Familienforschung.

Schon in seiner Diplomarbeit setzte er sich mit dem Kinderwunsch und dem Stellenwert von Kindern in Österreich auseinander. Später arbeitete er am Institut für Psychologie der Uni Graz an einem FWF-Projekt zur Aufteilung von Familienarbeit und Beruf. In seiner Dissertation untersuchte er schließlich, wie sich Nachwuchs auf das Glück der Eltern auswirkt.

Riederer, selbst kinderlos und mit einem Bruder nicht unbedingt aus einer Großfamilie stammend, war schon immer davon fasziniert, wie beim Thema Familie idyllische Idealbilder auf eine Realität treffen, die von zunehmender Verunsicherung geprägt ist. "Bisher ist die Glücksforschung davon ausgegangen, dass die Elternschaft nicht besonders wichtig für das Wohlbefinden ist und, wenn überhaupt, einen negativen Effekt hat", schildert Riederer. "Mein Anliegen war es, systematisch zu erklären, unter welchen Umständen Kinder negative oder positive Auswirkungen haben."

Der Soziologe verknüpfte Daten von 30 Ländern, die an der Europäischen Wertestudie 2008/2009 teilgenommen hatten, sowie Daten aus Paarbefragungen mit Statistiken zu den Leistungen, welche die jeweiligen Länder den Familien zur Verfügung stellen.

Die Ergebnisse stehen in Einklang mit der jüngsten Wifo-Studie zum Thema Familienförderung: Sachleistungen in Form von Kinderbetreuungseinrichtungen bringen nicht nur höhere Geburtenraten und mehr berufstätige Frauen, sondern machen Eltern auch glücklicher. "Die Effekte von Kindern auf das Wohlbefinden sind in den Ländern am positivsten, wo der Nachwuchs extern betreut wird." Geldleistungen erhöhen nur die Zufriedenheit von Menschen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Lage sind.

Ausschlaggebend für das Elternglück ist der Zeitpunkt: nämlich dann, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist und beide Elternteile fest im Leben stehen, so Riederer. Bei Familien mit "ein bis zwei Kindern ist das Wohlbefinden höher als bei Kinderlosen. Mit der Zahl der Kinder nimmt es wieder ab."

Kinder bringen vor allem für Alleinerziehende negative Effekte - wobei diese stark vom gesellschaftlichen Umfeld abhängen. "In Nationen, wo die Meinung vorherrscht, dass für das glückliche Aufwachsen des Kindes Vater und Mutter nötig sind, ist das Wohlbefinden eher beeinträchtigt." Nicht überraschend, lässt sich ein gewisses Nord-Süd-Gefälle feststellen: Während in Schweden 46 Prozent diese Einstellung befürworteten, waren es in Österreich 77 Prozent und in Bulgarien 98 Prozent.

Die Geschlechterunterschiede bei der Aufteilung der Betreuungsarbeit hätten sowohl auf Frauen als auch auf Männer ähnliche Auswirkungen: "Leidet ein Elternteil unter den Belastungen, wirkt sich das auch negativ auf den zweiten aus." Über die Effekte von Karenz auf Männer und Frauen gebe es noch zu wenige Daten. Fest steht, dass gegenseitige Wertschätzung für die jeweilig geleistete Arbeit das Glück stärkt.

Derzeit widmet sich Riederer an der Uni Wien, wo er seit fünf Jahren arbeitet, einer Studie bezüglich Lebensqualität in der Bundeshauptstadt. Der eigenen Familienplanung steht prinzipiell nichts mehr im Weg: Demnächst heiratet er. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 20.8.2014)