Das Einfamilienhaus ist die liebste Wohnform der Österreicher - doch es ist auch die volkswirtschaftlich bei weitem schlechteste aller Wohnformen.

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Zersiedelung heißt das Schlagwort, das Raumplaner in Österreich schon seit Jahrzehnten begleitet. Es steht für Auswüchse einer verfehlten Raumplanung, wie sie wohl jeder und jede in diesem Land schon wahrgenommen hat: Einfamilienhaus-Teppiche an der Peripherie, mit jeweils riesigen Grünflächen rund um die Häuser; Shoppingcenter im Niemandsland an der Gemeindegrenze kleiner Ortschaften, um die Bewohner des größeren Nachbarorts anzuziehen, bei gleichzeitig verödenden Ortskernen; oder nur für den Pkw gebaute Siedlungen, die entsprechend viel Verkehr produzieren und für Fußgänger äußerst unattraktiv sind.

Doch wer versagt hier eigentlich permanent: die Gemeinden, die Länder? Oder der Bund?

Vage Pläne im Bund

Fakt ist, dass im aktuellen Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP eine "Initiative im Bereich einer bundesweiten strategischen Raumplanung unter Einbindung der Länder, beispielsweise zur Verhinderung der voranschreitenden Bodenversiegelung, Zersiedelung etc." angekündigt ist. Außerdem soll es "Verhandlungen mit den Ländern über eine Reform der Raumordnung mit dem Ziel einer Rahmenkompetenz des Bundes (Korridorplanung)" geben. Von diesen Vorhaben ist aber keines auf Schiene, klagt der Wiener Bauträger Jörg Wippel (wvg). "Schon zum zweiten Mal steht das jetzt im Regierungsprogramm. Im Grunde wissen alle Verantwortlichen seit 20 Jahren, was zu tun ist, und tun es nicht. Warum sollte also diesmal was passieren?"

Wippel organisierte im vergangenen Frühjahr das Innovationslabor "Re.Think Wohn.Bau.Politik" in der Seestadt Aspern. Mehr als 60 einschlägig Interessierte aus wohnbaurelevanten Tätigkeitsfeldern zerbrachen sich dort zwei Tage lang über mögliche Reformen die Köpfe. Eine Arbeitsgruppe zum Thema Raumordnung hat dabei als eine ihrer wichtigsten Forderungen herausgearbeitet, dass die Flächenwidmungskompetenzen von den Bürgermeistern weggenommen und auf Landesebene gehievt werden sollten. Außerdem sollte es wirksame Sanktionen bei Verletzungen der Raumordnungsziele geben.

Konsequenzen gefordert

"Wir brauchen endlich ein vernünftiges Raumordnungsgesetz mit klag- und strafbaren Rahmenbedingungen. Es bedarf endlich Konsequenzen, damit das irgendwann einmal ernst genommen wird", sagt Wippel zum Standard.

Die Forderungen sollen bei den Alpbacher Baukulturgesprächen in der kommenden Woche neuerlich vorgestellt und diskutiert werden. Weitere Vorschläge der Gruppe umfassen eine ökosoziale Ausrichtung der Raumordnungspolitik sowie eine verpflichtende Überprüfung von Nachverdichtungsmöglichkeiten vor der Widmung neuen Baulands.

Gewidmet wäre genug

Denn eines steht ebenfalls fest: Gewidmetes Bauland gibt es genug. Allein in Niederösterreich soll es Bauland für rund eine Million Einwohner geben, hieß es vor wenigen Wochen bei einer Diskussion der Architektenkammer.

Allerdings sagt diese Zahl nicht sehr viel aus. "Es gibt viel gewidmetes Bauland, aber zu wenig widmungskonforme Umsetzungen", erklärt Elisabeth Stix von der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK). Sie koordiniert seit dem Vorjahr eine Arbeitsgruppe, die sich über leistbares Wohnen auf Basis des Raumentwicklungskonzepts 2011 (ÖREK) und also aus raumplanerischer Sicht Gedanken macht.

In ihrem für Oktober geplanten Endbericht werden sich einige Empfehlungen an die diversen Gebietskörperschaften in mehr oder weniger klaren Formulierungen finden. Instrumente wie Sonderwidmungen (" förderbarer Wohnbau"), befristete Baulandwidmungen oder Schaffung von Vorbehaltsflächen für den sozialen Wohnbau werden den Ländern und Gemeinden ans Herz gelegt werden. Außerdem wird es ein Rechtsgutachten zur Vertragsraumordnung geben, das einige existierende Unklarheiten mit diesem Instrument beseitigen helfen soll, kündigt Stix an.

Nur Empfehlungen

Dass es lediglich Empfehlungen sind, die von der ÖROK ausgesprochen werden können, ist ein realpolitisches Faktum, das man wohl dort selbst am meisten bedauert. Die seit 1971 im Bundeskanzleramt angesiedelte Koordinationsstelle, in der Bund und Länder, Städte- und Gemeindebund sowie Sozialpartner möglichst gleich gewichtige Wörtchen mitreden wollen, ist aber schlicht nicht dazu berufen, Gesetzesentwürfe zu erstellen.

Für viele Beobachter ist das, was dort erarbeitet wird, deshalb nur sehr viel Papier. "Doch Papier ist geduldig, die Probleme sind es nicht", mahnt Wippel.

Mancherorts ist man Vorbild

Dass es schon jetzt Gemeinden gibt, die das Thema Raumplanung vorbildlich angehen, wurde bei der Diskussion der Architektenkammer deutlich. Im oberösterreichischen Ottensheim hat man die Frage, ob es einer übergeordneten Instanz bedarf, beispielsweise mit der Schaffung von Strukturen für interkommunale Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden - etwa bei Betriebsansiedlungen - gelöst. Anderswo wären festere Zügel aber dringend nötig; etwa im Bezirk Mödling. Der ist nämlich, wie der langjährige Raumordnungsexperte des Landes NÖ, Michael Maxian, ausführte, "zu 61 Prozent mit Einfamilienhäusern bebaut".

In der ÖROK, wo man Datenmaterial wie dieses sammelt und im Netz interaktiv zur Verfügung stellt, arbeitet man derzeit laut Stix auch erstmals an einer Karte, die das gewidmete Bauland bis auf die Ebene der Bezirke herunter anzeigt. Im Oktober soll sie online gehen; spätestens dann wird man also wissen, wie viel gewidmetes Bauland es in ganz Österreich tatsächlich gibt. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 23.8.2014)