Die kleine Radwerkstatt ist unscheinbar - nur die Klingel am Haus Jörgerstraße 17 weist darauf hin.

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Auf Werbung verzichtet Thomas Kaider bewusst - die Werkstatt soll schließlich vor allem ein Liebhaberprojekt bleiben.

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"Ich kenne fast alle Fahrradwerkstätten in Wien. Die wirklich guten kann man an einer Hand abzählen", sagt Thomas Kaider. Deshalb und weil gerade das Kellerabteil unter seiner Wohnung frei wurde, eröffnete der Fahrradliebhaber vor einigen Jahren kurzerhand seine eigene. Von außen ist sie freilich völlig unscheinbar. Nur die Klingel mit Aufschrift "Die kleine Fahrradwerkstatt" am Haus in der Jörgerstraße 17 in Wien-Hernals signalisiert: Hier ist man richtig.

Ärger als Anstoß

Geplant war das Ganze gar nicht. Ursprünglich wollte Kaider im Keller nur seinen Fuhrpark verstauen, allenfalls ein bisschen herumschrauben. Die Idee zu einer richtigen Radwerkstatt kam ihm erst, als er sich bei einem anderen Mechaniker ärgern musste: "Dort war ein Mädchen, das für ein paar Reparaturen an einem Flohmarktrad eine Rechnung von 180 Euro vorgelegt bekam. So viel kann man an so einem Rad gar nicht reparieren." Die Kundin habe damals auch gezahlt, weil die Arbeit ja schon getan war.

In diesem Moment beschloss Kaider, seine eigene Werkstatt aufzumachen, in der man als Kunde direkt mit dem Mechaniker auf Augenhöhe reden kann. Schließlich sind ihm Ehrlichkeit und gegenseitiges Vertrauen das Wichtigste. Böse Überraschungen wie eigenmächtige Arbeiten ohne Rücksprache oder ein Verrechnen von jedem einzelnen Handgriff gibt es in seiner Werkstatt nicht. Hier wird vorher gemeinsam mit dem Kunden das Rad angeschaut, dann ein Preis vereinbart. Beschwert habe sich noch niemand.

Keine Werbung

In Kaiders Werkstatt kommen hauptsächlich Freunde und Bekannte. Auf Werbung und Hinweisschilder verzichtet der frühere Radbote und Velofahrer bewusst, schließlich will er nicht überrannt werden - auch deshalb, weil er die Werkstatt nur als Kleingewerbe angemeldet hat und einen bestimmten Umsatz nicht überschreiten darf. Vor allem aber, weil er keine Mitarbeiter hat und alles nur nebenbei macht. Hauptberuflich ist er Mitarbeiter der Uni Wien.

Wenn er einmal nicht schraubt oder sich um seinen siebenjährigen Sohn kümmert, für den Kaider auch schon eigene, besonders leichte Räder baut, schweißt er seine eigenen Rahmen zusammen - das Löten hat er sich wie die anderen "Selberbruzzler" selbst beigebracht. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von acht Freunden, die sich regelmäßig in der kleinen Radwerkstatt treffen, um eigene Radgestelle zu entwerfen und schließlich auch zu bauen.

Siebenmal die Straße wechseln

Zu wenig ist aber ohnehin nie los: Dank neuer Radwege und besserer Infrastruktur habe sich vieles zum Besseren verändert, sagt Kaider: "In den letzten Jahren ist die Zahl der Radfahrer explodiert. An manchen sonnigen Tagen ist die Gegend um die Uni fast mit Städten wie Amsterdam zu vergleichen."

Er erinnert sich an Zeiten, gar nicht so lange her, als man für eine Umrundung des Wiener Rings siebenmal die Straße wechseln musste, wo es heute durchgehende Radwege gibt. Außerdem seien früher kaum Radfahrer den ganzen Winter hindurch gefahren, was für viele jetzt immer mehr zur Selbstverständlichkeit geworden ist. "Arbeit gibt es also das ganze Jahr über." (Florian Bayer, derStandard.at, 7.10.2014)