Ben Vaughn (re.) mit seinem Idol Doug Sahm 1989. Man beachte den stolz-demütigen Gesichtsausdruck des Fans. Nun verneigt sich Vaughn vor Sahm auf dem Album "Texas Road Trip".

Foto: Ben Vaughn

Wien - Manche Träume erfüllen sich spät, aber sie werden wahr. Ben Vaughn wurde in den Stand des Urgroßvaters versetzt, bevor ein Lebenstraum für ihn in Erfüllung ging: Er wollte mit Augie Meyers zusammen ein Album aufnehmen.

Gut, Vaughn ist mit Ende fünfzig ein Anwärter auf den jüngsten Uropa Kaliforniens, aber er hat seit seinem elften Lebensjahr davon geträumt. Damals hörte er erstmals das Sir Douglas Quintet. Vor zwei Jahren war es dann so weit. Da spielte er sein Album mit August "Augie" Meyers und ein paar anderen Veteranen aus der Band des 1999 früh verstorbenen Doug Sahm ein. Diesen Sommer ist es erschienen, es heißt Texas Road Trip.

Doug Sahm war Chef des Sir Douglas Quintet und als solcher eine Legende. Seinem Quintett gelangen in den 1960ern mit Songs wie Mendocino, She's About a Mover oder der Trinkerhymne Wasted Days & Wasted Nights Welthits, die heute noch Bierzelte rund um den Globus in Ekstase versetzen. Gleichzeitig verhalf er so dem Tex Mex zum Durchbruch.

Tex Mex entstand in Texas, in der Gegend zwischen San Antonio und Austin. Dort ließen sich einst vornehmlich deutsche Auswanderer nieder, die das Akkordeon, die Polka und das Bier als kulturelles Erbe aus der alten Welt nach Übersee mitgenommen hatten.

Die Polka ging auch der mexikanischen Nachbarschaft ans Gemüt, aus gegenseitiger Adaption entstand Tex Mex, der heute als Traditionsmusik gilt. Sahm war deren größter Star. 1973 nahm er mit Dylan, Dr. John und anderen ein einschlägiges Album auf, nach einer Solokarriere gründete er 1989 mit Freddy Fender und Flaco Jiménez die Supergroup Texas Tornados. Und natürlich war Augie Meyers immer mit dabei, ein schweigsamer Hüne mit einem unterarmdicken Zopf. Dessen eiernde Vox-Orgel verlieh all diesen Arbeiten ihren speziellen Sound, für den er bis heute oft und gerne gebucht wird - von Bob Dylan bis Tom Waits.

Das Abseitige ...

Sein genialisches Spiel klingt, als wäre es immer schon da gewesen. Das lässt den Opener auf Texas Road Trip, das grandiose Boomerang, bereits wie einen Klassiker anmuten. Einen knappen Dreiminüter über die Liebe, die fliegt, verfliegt und wieder zurückkehrt. Darin blitzt Vaughns Schmäh auf, der sein Gesamtwerk prägt. Dieser schlägt sich in einer Vorliebe fürs leicht Abseitige nieder, das er mit der Ben Vaughn Combo und solo seit den mittleren 1980ern in schnörkellose Rock- und Popsongs überträgt. Ein Talent, das ihm auch seine Brotjobs sichert. Der aus New Jersey stammende Musiker lebt seit Mitte der 1990er-Jahre in Kalifornien. Er hat eine eigene Radioshow, schreibt Filmmusik und arbeitet für populäre Fernsehformate wie That 70s Show.

1996 nahm er sein vielbeachtetes Album Rambler '65 zur Gänze in einem Auto auf, für das Album Cubist Blues (1997) bildete er mit Alan Vega und Alex Chilton ein prominentes Trio. Vaughn produzierte populäre Alben für Ween (12 Golden Country Greats) oder Los Straitjackets. Immer "out of left field", wie der Amerikaner sagt, und im Resultat immer knapp unterhalb der Wahrnehmungsgrenze eines größeren Publikums.

... massiert die Tränendrüsen

Auf Texas Road Trip gipfelt sein Humor in der Polka Miss Me When I'm Gone. Der Liedtext besteht aus einer launigen Aufzählung der Dinge, die der Ich-Erzähler an sich selbst vermissen wird, wenn er gestorben sein wird. Meyers zieht und drückt dafür die Quetsche - das Resultat ist nichts weniger als ein Instantklassiker des Fachs. Diese massieren zwar mitunter die Lachmuskeln, zum Ausgleich erfahren aber auch die Tränendrüsen besondere Aufmerksamkeit.

Dafür hat Vaughn ein Lied wie I'll Stand Alone geschrieben, einen Blues, zu dem sich dennoch recht gut schunkeln lässt. Ohne Melancholie geht natürlich auch im Bierzelt nichts, dafür fährt Vaughn in einem seiner geliebten alten Autos durch den Texas Rain. Eine Ballade. Trennungsschmerz und Zweifel. Und dann regnet es auch noch. Nur einer gibt ihm Halt, es ist wie immer Augie, der hinten das Akkordeon weinen lässt.

Texas Road Trip (Munster Records) ist ein kleines Meisterwerk. Die Musik ist so zeitlos wie eine Blue Jean, die Geschichten so alt wie der Herzschmerz; und auch an dessen Linderung arbeitet man traditionell: Una mas cerveza por favor. (Karl Fluch, DER STANDARD, 27.8.2014)