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Kohl wird von Plasmodiophora brassicae besonders gerne befallen. Dessen Bekämpfung ist auch deshalb schwierig, weil noch nicht einmal die evolutionäre Herkunft des einzelligen Parasiten klar ist.

Foto: Epa/Bittner

Innsbruck/Wien - Es ist ein seltsamer Anblick. Die Wurzeln der Kohlpflanze wirken verkrüppelt, durch Wucherungen entstellt. Ihre Blätter dagegen sind gelb und welk. Für Fachleute ein klarer Fall: Das Gewächs leidet unter sogenannter Kohlhernie.

Die von einzelligen Parasiten der Art Plasmodiophora brassicae hervorgerufene Pflanzenkrankheit ist eine praktisch weltweit auftretende Geißel der Landwirtschaft. Sie befällt unter anderem Kohl, Rüben und eben auch Raps. Die Bekämpfung ist schwierig. Auf eher sauren Böden kann eine Erhöhung des pH-Wertes durch Kalk den Befall eindämmen. Bereits erkrankte Pflanzen lassen sich jedoch kaum behandeln.

Plasmodiophora brassicae gehört aus wissenschaftlicher Sicht zu den Phytomyxiden, einer Organismengruppe, deren evolutionäre Herkunft unter Experten noch stark umstritten ist. Vermutlich haben sie denselben Ursprung wie Braunalgen und Eipilze, wie die Biologin Sigrid Neuhauser von der Universität Innsbruck erklärt. Sogar mit den Malaria-Erregern könnten die Phytomyxiden verwandt sein.

Unsichere Abstammung

Erbgutanalysen haben bislang nicht wirklich zur Klärung der offenen Fragen beigetragen. "Je mehr Gene wir haben, desto unsicherer wird die Abstammung", sagt Neuhauser. Auch sonst lassen Phytomyxiden die Forscher noch oft rätseln. Wie viele verschiedene Arten gibt es von ihnen, und welche Organismen befallen sie bevorzugt?

Der Lebenszyklus der Winzlinge ist komplex. Aus einer Dauerspore schlüpft eine bewegliche Zoospore, die sich auf die Suche nach einem geeigneten Wirt macht. Ist dieser gefunden, kapselt sich der Parasit erneut ein und bildet dabei an seiner Oberfläche ein spezielles Injektionsorgan aus. Damit durchbohrt er die Zellwand der Wirtszelle und injiziert ihr sein gesamtes Protoplasma, und zwar "innerhalb von Sekunden", wie die Biologin erklärt.

Nach dem Eindringen widmet sich die Mikrobe, jetzt Plasmodie genannt, alsbald der Vermehrung - durch schlichte Zellteilung. Die Zahl der Nachkommen wächst beständig. "Wenn die ganze Wirtszelle gefüllt ist, bilden sich sekundäre Zoosporen", sagt Neuhauser. Die Zellwand des Opfers platzt auf, die nächste Parasitengeneration schwärmt aus und befällt die Nachbarzellen.

Irgendwann kommt es dann wohl auch zur sogenannten Karyogamie: Zwei individuelle Phytomyxiden-Zellen verschmelzen miteinander unter Vereinigung ihres Erbguts. Ein solcher Schritt ermöglicht den Kleinstkreaturen die Durchmischung von genetischem Material.

Die früher oder später vermutlich aus verschmolzenen Plasmodien hervorgehenden Dauersporen verfügen über eine besonders feste, dreischichtige Zellwand - eine Art Panzer. "Diese Zellen sind sehr widerstandsfähig", sagt Sigrid Neuhauser. Bisherigen Untersuchungen zufolge können sie im Boden mindestens 18 Jahre überdauern und unbeschädigt den Verdauungstrakt von Tieren passieren.

Auch auf dem Gebiet der Artenvielfalt und der Wirtsspezifität von Phytomixiden gibt es neue Erkenntnisse. Sigrid Neuhauser hat zusammen mit Kollegen auf der Basis von DNA-Analysen den bislang detailliertesten Stammbaum dieser Mikroparasiten erstellt. Die Studienergebnisse, die im Fachjournal BMC Evolutionary Biology veröffentlicht wurden, attestieren den Mikroparasiten eine erstaunliche Flexibilität. Zwei der untersuchten Spezies tanzen hinsichtlich ihrer Wirtswahl komplett aus der Reihe. Eine befällt tropisches Seegras, während ihre nächsten Verwandten in Eipilz-Zellen leben. Die zweite gehört zu einer Gruppe typischer Blütenpflanzen-Schmarotzer, pflanzt sich aber in Oomyzeten fort.

Ein überraschender Befund

Unter Fachleuten gilt dieser Befund als kleine Sensation. Der Hintergrund: Parasiten einer engeren Verwandtschaftsgruppe sind normalerweise auf ebenfalls verwandte Wirtsorganismen spezialisiert. In diesem Fall jedoch werden Kreaturen aus vollkommen verschiedenen Großgruppen befallen. Blütenpflanzen und Eipilze sind stammesgeschichtlich betrachtet weiter voneinander entfernt als zum Beispiel Menschen und Plattwürmer. Eine solche Anpassungsfähigkeit wurde bisher noch nie nachgewiesen.

Die Flexibilität dürfte den Phytomyxiden erhebliche Überlebensvorteile bringen. "Wenn der Wirt nicht zur Hand ist, müssen sich die Parasiten anpassen können", sagt Neuhauser, die ab sofort die komplexen Wechselwirkungen zwischen Phytomyxiden und ihren unfreiwilligen Ernährern noch intensiver studieren können wird: Sie ist eine der diesjährigen Trägerinnen des Start-Preises des österreichischen Forschungsfonds FWF und des Wissenschaftsministeriums.

Die weitere Erforschung von Interaktionen zwischen den Mikroparasiten und ihren Wirtszellen wird nicht nur zusätzliche Einblicke in biologische Grundlagenprozesse ermöglichen, verspricht Neuhauser. Die Untersuchungen werden hoffentlich auch neue Ansätze zur Bekämpfung der Mikroparasiten aufzeigen. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 27.8.2014)