Fanny Blissett, "Jesuitenwiese. Ein leicht revolutionärer Poproman". € 19,95 / 311 Seiten. Zaglossus, Wien 2014

Foto: Zaglossus

Eigentlich war der 1958 auf Jamaika geborene Luther Blissett einer der ersten dunkelhäutigen Fußballspieler, der in den obersten Ligen Englands und Italiens kickte. Dass Blissett weit über den Fußball hin aus bekannt wurde, lag daran, dass sich ein anarchistisches italienisches Künstlerkollektiv in den 1990er-Jahren seinen Namen aneignete und unter dem Pseudonym allerlei Schabernack trieb.

Die nicht ganz anonymen Italiener hinterließen unter dem Namen auch einen Historienroman mit dem schlichten Titel Q, der die Geschichte der linken italienischen Gegenkultur im 16._Jahrhundert erzählt und dabei munter Fakten und Fiktion vermischt. Das Buch wurde in zehn Sprachen übersetzt und – da frei kopierbar – zu einer der erfolgreichsten Open-Content-Publikation überhaupt. Der Name Luther Blissett wiederum avancierte zu einem frei verfügbaren Medienphänomen.

Nun hat sich auch ein Wiener Autorentrio des klingenden Nachnamens bemächtigt und unter dem Pseudonym Fanny Blissett einen „leicht revolutionären Poproman“ geschrieben, wie der Untertitel durchaus treffend behauptet. Die Protagonisten des Buchs (und die mehr oder weniger stark verfremdeten Alter Egos der Autoren) sind die Enddreißiger Christian, Reinald und Karin, die eine gemeinsame erlebte Geschichte – das Wien der Nullerjahre – und die Zugehörigkeit zum mehr oder weniger akademischen Prekariat verbindet.

Der fiktive Vorname Fanny deutet darauf hin, dass in Jesuitenwiese auch der Feminismus in verschiedensten Ausprägungen verhandelt wird – bis hin zu einer sehr genderkorrekten Orthografie. Im Montageroman, der Poptheorieteile mehr oder weniger elegant mit historischen Exkursen und einer nicht immer ganz glaubhaften Krimihandlung verbindet, geht es freilich noch um sehr viel mehr: um eine Rekapitulation der Poptheorie des 20. und 21. Jahrhunderts (inklusive ihrer eigenen Dekonstruktion), um Protest gegen Schwarz-Blau, um linke Utopien, eine Geschichte des Volksstimme fests und der Jesuitenwiese, die Rekonstruktion einer Konferenz im Roten Wien des Jahres 1931 und nicht zuletzt: die Mühen kollektiven Schreibens.

Diese disparaten Themen kreuzen sich in Jesuitenwiese immer wieder auf originelle Weise, zusammengehalten vom Haupterzählstrang, der Suche nach den verschwundenen Milliarden der KPÖ. Dabei kriegen es das Trio und seine Sympathisanten aus der Szene mit zwei allzu klischeehaft gezeichneten Gegnern zu tun: einem bösen Rechten aus dem Heeresnachrichtenamt und einem glatten Unternehmer mit familiärer Vorbelastung.

Sprachlich und psychologisch ist Jesuitenwiese eher handgestrickt, der Thrillerplot und das halbe selbstreflexiv gebrochene Happy End stellenweise ein wenig haarsträubend. So wird dem Erstling von Fanny Blissett das Schicksal von Luther Blisetts Q wohl verwehrt bleiben, ein internationaler Bestseller zu werden. Als anspielungsreiches, (viel-)stimmiges und selbstironisches Porträt einer Generation des Wiener Prekariats taugt der Roman aber allemal.

Anders als Q ist Jesuitenwiese freilich auch nicht Open Content. Dafür sind aber – rechtzeitig zum Volksstimmefest an diesem Wochenende – einige gelesene Kapitel als Jesuitenwiese-Audiotour über die Homepage des Verlags abrufbar. (Klaus Taschwer, Album, DER STANDARD, 30./31.8.2014)