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Die österreichische Wirtschafts-Lokomotive will einfach nicht in Schwung kommen.

Foto: apa/schlager

Das Wachstum ist niedrig, die Verschuldung steigt.

Wien - Der angekündigte Wirtschaftsaufschwung in Österreich ist schon wieder abgesagt. Die Nationalbank (OeNB) hat ihre Wachstumsprognose für heuer deutlich nach unten revidiert. Statt eines Plus von 1,6 Prozent gehen die OeNB-Ökonomen beim Bruttoinlandsprodukt nur mehr von einem Zuwachs von 0,9 Prozent aus. Ähnlich düster äußerten sich am Freitag auch die Mitarbeiter von Wifo und IHS.

Beide Konjunkturforschungsinstitute haben ihre Prognosen im Laufe des Jahres zwar schon nach unten korrigiert, im Juni ging das Wifo aber immerhin noch von einem Wachstum von 1,4 Prozent für das Gesamtjahr 2014 aus, das IHS erwartete sogar 1,5 Prozent. "Diese Erwartung ist nicht mehr haltbar", sagt IHS-Chef Christian Keuschnigg nun dem STANDARD. Die Prognosekorrektur bei seinem Institut im September dürfte "in Richtung" der OeNB-Zahlen gehen. Mit einer deutlichen Korrektur nach unten rechnet auch Marcus Scheiblecker vom Wifo.

"Nicht mehr haltbar"

Doch warum trüben sich die Aussichten derart plötzlich ein? Die Misere allein auf die Verschärfung der Russlandkrise mitsamt EU-Sanktionen und russischen Gegenmaßnahmen zu schieben wäre verfehlt, sagen Experten. Zunächst weil Russland ein wirtschaftspolitisches Leichtgewicht ist: Nicht einmal fünf Prozent der österreichischen Ausfuhren gehen in das Land. Zudem hat sich die Russlandkrise erst über die Sommermonate dramatisch verschärft. Doch bereits zuvor lief es konjunkturell alles andere als rund, sagt Scheiblecker.

Ursprünglich war man etwa beim Wifo davon ausgegangen, dass Bau- und Anlageninvestitionen 2014 deutlich anziehen und zum Wachstumsträger werden. Die Vorhersage lautete, dass die Ausrüstungsinvestitionen von Unternehmen (etwa Ausgaben für Maschinen, Fahrzeuge) 2014 um vier Prozent steigen. Die Wertschöpfung aus der Bautätigkeit sollte um 1,2 Prozent zulegen. Daraus ist nichts geworden: Die Investitionen der Unternehmen stagnierten im ersten Halbjahr, die vier Prozent sind in unerreichbare Ferne gerückt. Bei der Bautätigkeit gab es im ersten Halbjahr sogar einen Rückgang.

Keine Neuinvestitionen

Die positiven Annahmen des Wifo seien gedeckt gewesen, sagt Scheiblecker. Noch um den Jahreswechsel 2013/2014 herum, hätte sich aus den Unternehmensbefragungen ein deutlich positiveres Bild für die kommenden Monate abgezeichnet. Das Finanzierungsumfeld für Firmen ist außerdem sehr günstig. Viele Unternehmen haben zudem in den vergangenen Jahren Investitionen zurückgehalten, "weshalb wir einen Nachzieheffekt erwartet haben", sagt Ökonom Scheiblecker.

Warum trotz allem nicht mehr investiert und sogar weniger gebaut wurde, kann auch er nicht ganz erklären. "Wir sind verwundert", sagt der Ökonom. Die Fehleinschätzung passiert den Konjunkturforschern nicht zum ersten Mal in den vergangenen Jahren. Seit 2011 prognostizieren sie in regelmäßigen Abständen einen Aufschwung, nur um ihre Prognosen kurze Zeit später zurückzunehmen. Auch hierin macht sich die Einmaligkeit der Wirtschaftskrise bemerkbar.

Grüße vom deutschen Nachbarn

Sicher ist, dass sich die Stimmung der Unternehmen ab dem zweiten Halbjahr auch wegen der Russlandkrise eingetrübt hat. So fehlen etwa positive Impulse vonseiten des Außenhandels. Das Geschäft läuft zwar nicht schlecht - zwischen Jänner und Mai sind die Exporte Österreichs weltweit um 1,5 Prozent gestiegen -, doch die Importe legten ähnlich stark zu, weshalb der Außenhandel so gut wie keine positiven Auswirkungen auf das Wachstum hat.

Nicht hilfreich für Österreichs Exporteure und mit ein Grund, warum das Wachstum in den kommenden Monaten verhalten bleiben dürfte, ist, dass der deutsche Konjunkturmotor im zweiten Quartal zu stottern begonnen habe, sagt die OeNB-Chefökonomin Doris Ritzberger-Grünwald.

Mehr Netto vom Brutto

Die seit Jahren stagnierende und zum Teil sogar rückläufige Entwicklung bei den Nettolöhnen wiederum schlägt sich auf den Konsum durch, der ebenfalls kaum vom Fleck kommt. Hinzu kommt der Sparkurs in Europa und in Österreich. Die öffentlichen Konsumausgaben etwa stagnieren. Die Investitionen der öffentlichen Hand sind unter Einrechnung der Inflation rückläufig.

Die große Frage in den kommenden neun Monaten wird jedenfalls sein, wie man aus der Wirtschaftsflaute wieder herausfindet. Für Keuschnigg vom IHS ist die Antwort klar, aufgrund der aktuellen Daten hält er eine Steuerreform für umso dringlicher. Österreich bräuchte dringend eine Steuerentlastung. Wenn mehr Netto vom Brutto bleibt, werde auch der Konsum entsprechend anziehen, argumentiert Keuschnigg. (András Szigetvari, DER STANDARD, 30.8.2014)