Dresden - Zum ersten Mal ist es Forscherngelungen, Sonnenenergie im Moment ihrer Freisetzung zu messen. Ein internationales Forscherteam, an dem auch der Kernphysiker Kai Zuber von der TU Dresden beteiligt ist, wies im sogenannten "Borexino-Experiment" solare Neutrinos nach, die bei der Verschmelzung zweier Protonen im Inneren der Sonne, dem allerersten Schritt der Kernreaktion, produziert werden. Die Ergebnisse wurden nun in "Nature" veröffentlicht.

Neutrinos, elektrisch neutrale Elementarteilchen, sind äußerst schwer nachzuweisen. Sie haben eine sehr geringe Masse und werden, weil sie durch alles hindurchfliegen können, oft als "Geisterteilchen" bezeichnet. Die überall auf der Erdoberfläche vorkommende kosmische Strahlung und die natürliche Radioaktivität stören den Nachweis zusätzlich, daher gelingt er nur untertage und in einer extrem sauberen Umgebung, wie sie im Borexino-Detektor im Gran Sasso Untergrundlabor in den italienischen Abruzzen realisiert wurde.

In acht Minuten zur Erde

Bisher wurde die Sonnenenergie anhand der Sonnenstrahlung, die für Licht und Wärme sorgt, gemessen. Diese Strahlungsenergie entstand jedoch bereits vor rund 10.000 Jahren im Sonneninneren. So lange dauert es, bis sie an die Oberfläche gelangt und dann abgestrahlt wird. Die Neutrinos, die bei der Kernfusion entstehen, benötigen dagegen gerade einmal acht Minuten, um von der Sonne bis zur Erde zu gelangen. Mit dem Nachweis im "Borexino-Experiment" ist es damit nun erstmals gelungen, die fundamentale Reaktion der Sonnenenergie quasi in Echtzeit zu messen.

Der Vergleich mit der Strahlungsenergie, die an der Sonnenoberfläche gemessen wurde, zeigt, dass sich die Energiefreisetzung in den vergangenen 100.000 Jahren kaum verändert hat. "Selbst wenn wir die Sonne jetzt ausschalten würden, würde es etwa weitere 10.000 Jahre dauern, bis wir davon auf der Erde etwas merken würden", sagt Kai Zuber.

Er forscht seit 25 Jahren auf dem Gebiet der solaren Neutrinos. "Mit diesem Durchbruch schließt sich für mich ein Kreis", so Zuber, der bereits an dem indirekten Nachweis dieser fundamentalen Neutrinos Anfang der 1990iger Jahre beteiligt war. Am "Borexino-Experiment" sind insgesamt 120 Wissenschafter aus Italien, Deutschland, Frankreich, Polen, den USA und Russland beteiligt. (red, derStandard.at, 1.9.2014)