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Die Probleme werden für die Bundesregierung nach der Umbildung eher mehr als weniger. Schuld ist die konjunkturelle Entwicklung.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Die Taktzahl, in der die schlechten Nachrichten eintreffen, ist stark gestiegen. Die Industrieproduktion in der Eurozone wächst so langsam wie seit einem Jahr nicht mehr. Italien steckt zum ersten Mal seit 50 Jahren in der Deflation. Das Wort "triple-dip recession", also ein dritter Wirtschaftseinbruch seit 2008, geht bereits um, obwohl Europa in Wahrheit natürlich aus dem zweiten Einbruch 2010 nie richtig herausgekommen ist.

In Österreich sieht es nicht viel besser aus. Am Freitag meldete die Notenbank, dass das Wachstum heuer nicht wie vorausgesagt bei 1,7, sondern nur bei 0,9 Prozent liegen wird. Am Montag folgten ernüchternde Zahlen vom Arbeitsmarkt. Schwer einzuschätzen ist, was die neuen Daten für die Debatte über eine Steuerreform in Österreich bedeuten: Sollte die Reform jetzt erst recht kommen? Oder gerade eben nicht, weil sich ein neues Budgetloch auftut und ein neues Sparpaket droht?

Nahe bei drei Prozent

Der Spielraum des neuen Finanzministers Hans Jörg Schelling wird jedenfalls kleiner. Ein um ein Prozent niedrigeres Wachstum bedeutet, dass das Staatsdefizit gegenüber den Planrechnungen um 0,48 Prozent ansteigt. Das sagen historische Erfahrungswerte. Dies entspricht etwa 1,5 Milliarden Euro. Die Regierung selbst hat für 2014 trotz des bereits einkalkulierten Hypo-Debakels ursprünglich mit einem Maastricht-Defizit von 2,7 Prozent gerechnet, mithin unter der wichtigen Drei-Prozent-Marke. Allerdings gründete dies noch auf der Annahme eines Wachstums von 1,7 Prozent.

Im langfristigen Budgetpfad der Regierung bis 2018 findet sich eine interessante Berechnung darüber, was passiert, wenn sich die Konjunktur eintrübt. Sollte das Wachstum heuer nur 1,2 Prozent betragen, würde das Defizit an der Drei-Prozent-Marke anstreifen.

Kratzen am Grenzwert

Doch laut neuen Prognosen schafft Österreich die 1,2 Prozent Wachstum eben bei weitem nicht. Die Maastricht-Grenze müsste also laut Budgetpfad überschritten werden. Damit wären neue Debatten mit der EU-Kommission, die auf eine rasche Konsolidierung drängt, programmiert. Erst im Juni hat Österreich den Exit aus dem Exzessives-Defizit-Verfahren der Union geschafft.

Andererseits sagen Ökonomen, dass die Lage aktuell zumindest aus budgetpolitischer Sicht gar nicht so dramatisch ist. Zunächst stehen derzeit elf EU-Länder, darunter auch Schwergewichte wie Frankreich, am Pranger, weil sie sich nicht an Maastricht-Vorgaben halten. Österreich kämpft also nicht allein.

Die Experten bei der Nationalbank argumentieren überhaupt, dass das Budgetdefizit 2014 nicht über Plan ansteigen wird. Denn die Steuereinnahmen sind im Jahresverlauf üppiger gesprudelt als vorausgesagt. Auch der sonst sehr kritische Chef des Fiskalrates, Bernhard Felderer, beruhigt. Der neue Finanzminister könne den Einbruch mit Maßnahmen - etwa einer Reduktion der Ermessensausgaben - kompensieren. "Sollte der Abschwung anhaltend sein, wird die Regierung aber neu rechnen müssen", sagt Felderer.

Ein Gegenargument ist freilich, dass sich bei der verstaatlichten Volksbanken AG gerade ein neues Kapitalloch von 600 bis 800 Millionen Euro auftut, das bisher in keinem Budgetpfad einkalkuliert wurde.

Sieben Milliarden

Was heißt das nun alles für die Steuerreform? Für Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sind die aktuell schlechten Zahlen umso mehr Grund, untere Einkommen zu entlasten. Damit könnte der Konsum und in weiterer Folge die Wirtschaft insgesamt gestärkt werden, sagt die Ökonomin.

Ähnlich argumentiert Wifo-Chef Karl Aiginger im Gespräch mit der APA: Schon im kommenden Halbjahr sollte die Entlastung beginnen. Über vier Jahre sollte es ein Volumen von sieben Milliarden Euro sein, zur Hälfte "gegenfinanziert", also durch andere Steuern ausgeglichen, zur Hälfte aber als echte Entlastung der Steuerzahler.

Wirtschaftsankurbelung

Die Frage ist, was eine Steuerreform fürs Wachstum bringt. Auf Basis von Modellrechnungen geht man beim Wifo davon aus, dass jeder Euro, um den die Belastung des Faktors Arbeit reduziert wird (Lohnsteuer, Sozialversicherung), 20 bis 40 Cent zusätzlich für die Wirtschaftsleistung (BIP) einbringt. Bei sieben Milliarden Euro würde das im besten Fall ein BIP-Plus von etwa einem Prozent bedeuten. (Andras Szigetvari, DER STANDARD, 2.9.2014)