1990 zog sie erstmals als Abgeordnete ins Parlament ein, 2014 wurde sie zur neuen Nationalratspräsidentin gewählt: Doris Bures.

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Wien - Immer wenn Fritz Verzetnitsch auf der Tribüne des Parlaments Platz nimmt, ist irgendwas. Der ehemalige ÖGB-Präsident ist ein verlässlicher Zaungast, wenn ein besonderer parlamentarischer Akt ansteht. So auch am Dienstag, als die bisherige Verkehrsministerin Doris Bures zur neuen Nationalratspräsidentin und Nachfolgerin der vor einem Monat verstorbenen Barbara Prammer gewählt und eine umgebildete Regierung vorgestellt wurde. Die andere Seite der Sozialpartnerschaft, oft auch "Nebenregierung" genannt, war übrigens auch vertreten auf der Galerie: durch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.

Doch der Reihe nach. Den ersten Akt der Sondersitzung verfolgten auch die meisten Regierungsmitglieder gutgelaunt als Parlamentskiebitze von oben. Immerhin hat mit Bures eine von "ihnen" die Direttissima von der Regierungsbank auf das zwar dahinter, aber auch höher gelegene Präsidium der Legislative genommen - was bei den Grünen doch "eine gehörige Skepsis" hervorrief.

Schweigeminute für Prammer

Der erste Teil stand im Zeichen letzter Ehrenbekundungen und einer Schweigeminute für die hochgeschätzte Prammer. Das Parlament solle das gewonnene Selbstbewusstsein, ein Erbe Prammers, bewahren und weiterführen, sagte der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf.

Freundlichen Worten der Klubchefs - nur Kathrin Nachbaur vom Team Stronach erinnerte die SPÖ an die ignorierte Frauenquote bei der Nachbesetzung des Prammer-Mandats - standen dann 117 von 150 gültigen Stimmen bei 175 anwesenden Abgeordneten gegenüber. Bures ist die zweite Frau an der Spitze des Präsidiums. Mit der 88-jährigen Marga Hubinek saß auf der Galerie auch eine Pionierin. Die ÖVP-Politikerin war 1986 als erste Frau ins Nationalratsprädisium gewählt worden: ins Amt der Zweiten Präsidentin.

Bures, selbst vor 24 Jahren erstmals als Abgeordnete ins Hohe Haus gewählt, betonte, eine "gute, faire und überparteilich agierende Präsidentin" sein zu wollen. Außerdem hielt sie ein Plädoyer für den Kompromiss: "Die Demokratie lebt vom Kompromiss."

Gelobt sei der Kompromiss

Der Kompromiss ist ja quasi die Lebensversicherung einer Koalition, und in dieser Tonlage waren auch die Erklärungen von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und dem als Vizekanzler und ÖVP-Chef doppelt neuen Reinhold Mitterlehner gestimmt. Prophylaktisch nett zueinander sein, Bitte zu den Neuen und der Opposition sagen, Danke zu den Vorgängern, die die politische Arena verlassen haben (Vizekanzler Michael Spindelegger) oder mussten (Staatssekretär Jochen Danninger). Es war der Tag, an dem kein schlechtes Wort über den Koalitionspartner fallen sollte.

Der Kanzler gab den Kanzler, der qua Funktion mit weltpolitischen Krisen wie jener zwischen Ukraine und Russland beschäftigt ist. Faymann unterstrich seinen Glauben an den Dialog und den Einsatz für friedliche Lösungen: "Wer die Freiheit nicht verteidigt, wird sie verlieren."

Das Regierungsteam sieht er jetzt gut aufgestellt. Es seien für alle Funktionen - Sabine Oberhauser (SPÖ, Gesundheit), Alois Stöger (SPÖ, Verkehr), Hans Jörg Schelling (ÖVP, Finanzen), Harald Mahrer (ÖVP, Staatssekretär für Wissenschaft und Wirtschaft) und Sonja Steßl (SPÖ, nun Staatssekretärin im Kanzleramt) - "fachkundige, aufrichtige und politisch engagierte Menschen bestellt worden, die ihren ganzen Einsatz für die Republik leisten werden".

Faymanns neuer Vizekanzler Mitterlehner hielt dann eine Rede, die Beobachter durchaus für eine Kanzlerrede hätten halten können. "Regierungen handeln durch Personen, und jede Änderung ist eine Chance, neue Ambitionen einzubringen" - "in schwierigen Zeiten", wie er mehrfach andeutete. Das Wort "Engpasssituationen" - der Vizekanzler nannte es im Zusammenhang mit Schelling, der solche "kompetent bestehen" könne, was für das Projekt Steuerreform wohl von Vorteil ist - könnte leitmotivisch für den Rest der Legislaturperiode funktionieren.

Der neue ÖVP-Chef sieht als wichtigste Aufgabe "für uns alle, dass die Österreicher das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen". Nicht "Wettbewerb der Grobheiten", sondern der Argumente. Nicht oben gegen unten, nicht Reich gegen Arm etc.

Zu schön, um wahr zu sein, war der Tenor der Oppositionsreden nach den Regierungserklärungen. Dem propagierten Neustart von Rot-Schwarz kam da jede Menge Skepsis und auch gleich ein Misstrauensantrag der FPÖ entgegen.

Tja, mögen sich die Frohgemuten auf der Regierungsbank da mit Blick nach unten gedacht haben. Das wusste ja schon Jean-Paul Sartre: "Die Hölle, das sind die anderen." Und die im Plenum: Wenn ihr euch da mal nicht täuscht, wer eure "anderen" wirklich sind (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 3.9.2014)