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Besorgt: Queen Elizabeth II. mit Ehemann Philip (links) und Thronfolger Charles (rechts).

Foto: Reuters/Cehyne

Glasgow/London - Paukenschlag in Schottland: Eineinhalb Wochen vor dem Referendum über eine Loslösung von Großbritannien liegen die Befürworter der Unabhängigkeit erstmals in einer Umfrage vorne. Damit ist der Ausgang des Referendums so offen wie nie. Offenbar in Reaktion auf den ersten Umfrage-"Sieg" bot London den Schotten am Sonntag größere Finanzautonomie an.

In der Untersuchung des Instituts YouGov für die Zeitung "Sunday Times" sprachen sich 51 Prozent der befragten schottischen Stimmberechtigten für die Abspaltung von Großbritannien aus, 49 Prozent waren dagegen. Obwohl sich der Vorsprung von zwei Prozentpunkten noch innerhalb der statistischen Fehlermarge bewegte, sorgte die Umfrage für Jubel bei den Verfechtern der Unabhängigkeit, allen voran Regierungschef Alex Salmond und seiner Schottischen Nationalpartei. Sie sehen einen Aufwärtstrend ihrer Bewegung verfestigt, der sich seit einigen Wochen abzeichnet.

Trend zu Unabhängigkeit

Zwar sah eine zweite - von Salmonds Lager in Auftrag gegebene - Umfrage die Anhänger eines Verbleibs Schottlands bei Großbritannien bei 52 Prozent und damit vier Prozentpunkte in Führung. Vor einem Monat hatte das Lager der Unionisten aber noch einen Vorsprung von 22 Prozentpunkten.

"Wenn Leute nicht ganz sicher waren, ob sie zu Hause bleiben können, oder ob sie nicht losgehen und mit Nein stimmen müssen, um die Teilung zu verhindern, dann sind sie diese Zweifel heute los", kommentierte der britische Schatzkanzler George Osborne in einem BBC-Interview die Umfrageergebnisse.

Finanzielle Autonomie

Offenbar in Reaktion auf die neuen Umfragewerte versprach Osborne Schottland eine größere finanzielle Autonomie, sollte es sich für einen Verbleib in der seit 300 Jahren bestehenden Union mit England entscheiden. Darauf habe sich die Regierungskoalition aus Konservativen und Liberaldemokraten mit der oppositionellen Labour-Partei geeinigt, sagte Osborne der BBC. Noch in den kommenden Tage werde London einen Aktionsplan verkünden, der den Schotten mehr Vollmachten bei "Steuer, Ausgaben und der Gestaltung des Wohlfahrtstaats" gebe.

Für den britischen Premierminister David Cameron wäre ein Ja der Schotten zur Unabhängigkeit ein schwerer Schlag. Nach einem Bericht der "Sunday Times" sieht er sich wachsendem Druck ausgesetzt, in dem Fall sein Amt zur Verfügung zu stellen. Cameron sollte am Sonntag ins schottische Balmoral reisen, wo sich Königin Elizabeth II. in ihrer Sommerresidenz aufhält. Nach Informationen der "Sunday Times" sorgt sich die Queen sehr über den Ausgang des Referendums und will täglich über die Stimmung auf dem Laufenden gehalten werden. Laut der Zeitung will sich Premier Cameron wenige Tage vor dem Referendum in einer Rede an die Schotten wenden.

Der schottische Regierungschef und Unabhängigkeitsbefürworter Alex Salmond will zwar, dass die Monarchin auch an der Spitze eines unabhängigen Schottlands steht, doch nach Angaben eines Beraters "versteht sich das nicht von selbst": "Die Queen ist eine Unionistin", sagte er der "Sunday Times".

"Positiv und ermutigend"

Schottlands Vize-Regierungschefin Nicola Sturgeon nannte die Umfragewerte "außerordentlich positiv und ermutigend". Gleichzeitig mahnte sie, dass nur das tatsächliche Ergebnis in eineinhalb Wochen zähle. "Also lasst uns unsere Anstrengung verdoppeln und konzentriert bleiben", forderte Sturgeon über Twitter auf.

Die Volksabstimmung über Schottlands Unabhängigkeit findet am 18. September statt. Die britische Regierung warnt unter anderem davor, dass Schottland im Fall einer Loslösung das Pfund nicht behalten könne. Die Befürworter der Unabhängigkeit wollen die britische Währung beibehalten. Eine weiterer wichtiger Streitpunkt in der Debatte ist die Frage, ob Schottland als eigenständiger Staat automatisch Mitglied der Europäischen Union bleibt.

Camerons Labour-Vorgänger Gordon Brown, ein Schotte, machte die Politik der Konservativen für die schrumpfende Unterstützung der Schotten für die Einheit verantwortlich. Im Fernsehsender SkyNews warnte Brown seines Landsleute aber davor, ihre "unwiderrufliche Entscheidung" auf der Basis der derzeitigen Regierungspolitik zu treffen, zumal im kommenden Jahr Parlamentswahlen anstehen. Ebenso wie Osborne sagte Brown, der beste Weg für die Schotten, sich ihren Wunsch nach "Wandel" zu erfüllen, sei größere Autonomie und nicht der komplette Bruch mit dem Rest des Vereinigten Königreichs. (APA, 7.9.2014)